GRUND UND BODEN – KEINE ENDLOSEN GÜTER


Vorarlberg ist flächenmäßig kein großes Land. 2.601 Quadratkilometer sind Heimat für über 400.000 Menschen. Im Vergleich dazu ist Tirol mit 12.534 und 780.000 Einwohner ein dünnbesiedelter Riese. Hinzu kommt, dass in Vorarlberg rund ein Drittel der gesamten Landesfläche – 974 Quadratkilometer – Wald ist. Für Siedlungs- und landwirtschaftliche Nutzflächen reduziert sich der Platz also nochmals. Warum das richtige Haushalten mit Grund und Boden wesentlich ist und wie dies gelingen kann, betrachtet Haus & Grund in dieser und der nächste Ausgabe. 

Text: Ursula Fehle

Vorarlberg ist besonders. Denn nach Wien – und auch Wien ist als Stadt/Bundesland ein Sonderfall – ist es das kleinste Bundesland Österreichs. Sogar Burgenland ist größer. Im Westen gilt also: kleiner, aber oho. Denn bei der Besiedlungsdichte liegt Vorarlberg auch wieder direkt hinter Wien. Das Rheintal – hier wird das Gebiet von Hörbranz bis Feldkirch einbezogen – sticht hier stark hervor. Denn hier leben mittlerweile über 250.000 Menschen. Der direkte Vergleich mit dem Burgenland (das von der Größe am ehesten mit Vorarlberg vergleichbar ist): Auf eine Fläche von 3.962 Quadratkilometer (1.363,53 Quadratkilometer größer als Vorarlberg), kommen etwas mehr als 300.000 Einwohner. Anders und plakativ dargestellt: Bald wird das Rheintal so viele Einwohner zählen, wie das ganze Burgenland. Außerdem ist Vorarlberg ein attraktiver Wirtschaftsstandort und somit verwundert es nicht, dass Vorarlberg auch beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im vorderen Bereich liegt. Das Burgenland ist Schlusslicht. Weg vom Osten hin zum westlichsten Bundesland. Vorarlberg ist ein attraktives Wohn-, Arbeits- und Freizeitland. Laut Prognosen wird die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen. Was nicht zunimmt, ist die Fläche des Bundeslandes. Es gilt also Wege zu finden, wie mit dem vorhandenen Grund und Boden so gewirtschaftet werden kann, dass Wohnen und Leben, Arbeit und Industrie, Landwirtschaft und Natur genügend Raum haben. 


Bodenverbrauch

Das Thema ist kein Neues. Seit 2002 gibt es sogar Zielvorgaben, die sich Österreich gesetzt hat, um den tägliche Bodenverbrauch, die Bodenversiegelung zu reduzieren. Das damals festgelegte Ziel lautete: Bis 2010 (!) sollen täglich in Österreich nur noch 2,5 Hektar versiegelt werden. Die täglichen Zahlen lagen im vergangenen Jahr 2023 – also bereits dreizehn Jahre nach dem Zieljahr – bei fast 12 Hektar Bodenversiegelung/Tag (übertrifft den festgelegten Zielwert aus dem Jahr 2002 um das 4,8-Fache). Das Ziel ist also klar verfehlt worden. Anders gesagt: Es wurden keine zielführenden Maßnahmen gesetzt. Die geforderte Boden- oder Bodenschutzstrategie, in der alle Bundesländer sich unter anderem zur Zielerreichung von maximal 2,5 Hektar Bodenversiegelung/Tag (österreichweit) bekennen und somit dementsprechende Schritte in allen Bundesländern gesetzt werden müssten, ist im Nationalrat in der Warteschleife und fiel letztes Jahr der Beschlussvertagung ein weiteres Mal zum Opfer. 

In Vorarlberg werden laut Schätzungen täglich rund 7000 Quadratmeter versiegelt. Das sind rund 0,7 Hektar. Der österreichische Durchschnitt liegt dabei laut Daten des Umweltbundesamtes bei 5,8 Hektar. Die Annahme, dass Vorarlberg somit ohnehin wenig Boden verbrauche bzw. versiegele, liegt hier nahe, wäre aber eine falsche. Denn das Land Vorarlberg ist und bleibt flächenmäßig das kleinste Bundesland. Im Verhältnis zu den anderen (deutlich größeren) Bundesländern verbaut Vorarlberg nämlich meisterhaft viel und liegt nach Oberösterreich auf Platz zwei des Bodenverbrauches. Eine negative Spitzenleistung, die sich ein kleines Land wie Vorarlberg im Bodenverbrauch nicht leisten dürfte. 


Boden kann nicht produziert werden 

Die wundersame Bodenvermehrung gibt es nicht. Das übliche Marktgesetz um Angebot und Nachfrage kann hier ebenso wenig angewendet werden. Steigt die Nachfrage, kann kein zusätzlicher Boden hergestellt werden. Es liegen klare Daten vor, wie viel Fläche (Siedlung, Landwirtschaft, Industrie, Natur) vorhanden ist. Damit muss richtig gewirtschaftet werden. Wirtschaften bedeutet planmäßige und effiziente Entscheidungen über knappe Ressourcen, bestmöglicher Bedürfnisbefriedigung. Die Bedürfnisse, die hier befriedigt gehören, sind jene aller und das macht das richtige Wirtschaften sehr diffizil. Was aber klar ist: Boden ist nicht endlos vorhanden. Und: Eine übermäßige Bodenversiegelung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Wasserhaushalt (Regenwasser kann nicht mehr gut versickern, das Risiko von Überschwemmungen steigt, das Kleinklima wird beeinflusst (Kühlung im Sommer nicht mehr vorhanden, Lebensraum von Tieren wird zerstört), die Bodenfruchtbarkeit wird auf lange Sicht beeinträchtigt. Die Entsiegelung ist zwar möglich, ist aber kostenaufwendig, und die Böden darunter sind meist dauerhaft geschädigt. 


Boden für alle 

Das Architekturzentrum Wien kuratierte 2020 unter diesem Titel „Boden für alle” eine Ausstellung, die sich mit vielen Aspekten der Bodenthematik auseinandersetzt. Boden ist nicht gleich Boden. Welche Aufgaben muss der Boden alle erfüllen – von natürlichem Lebensraum über Landwirtschaft bis Industrie. Welche Böden eignen sich für welchen Zweck, sollte guter Boden überhaupt bebaut oder direkt der Landwirtschaft zugeführt werden? Wie geht man mit Zersiedelung (Beispiel Vorarlberg) um. Darf Boden eine kapitalgetriebene Ressource sein? Muss alles gebaut werden, was gebaut wird? Wo ist Verdichtung sinnvoll? Wo könnte gut verdichtet werden? Das sind nur einige Fragen, die in dieser Ausstellung präsentiert werden. Die Ausstellung tourte durch ganz Österreich und war bereits im vai in Dornbirn zu Gast. Dort wurden nicht nur die Zusammenhänge skizziert – Widmungen, Zuständigkeiten, Preise, Lebensräume – sondern auch neue Handlungsmöglichkeiten skizziert. 

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Flächenwidmung 2023 

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Alternativen, Initiativen, Wege 

Den Rufen Richtung Politik und Verwaltung, dass dringend gehandelt werden muss, weil auch unter anderem das nicht mehr leistbare Wohnen (Vorarlberg), das Ergebnis einer nicht vorhandenen oder fehlgeleiteten Bodenpolitik ist, wurde letztes Jahr etwas Gehör geschenkt. Unter anderem aufgrund der von der Arbeiterkammer beauftragten Studie „Wem gehört das Land”. In der zum einen gezeigt wurde, wie die Eigentumsverhältnisse in Sachen Grund und Boden sind, zum anderen wurden darin Lösungsvorschläge und auch Handlungsaufforderungen präsentiert. Eine klare Forderung war die Etablierung eines Bodenfonds. Im Dezember 2023 wurde die Gründung einer Gesellschaft für den Bodenfonds von der Vorarlberger Landesregierung beschlossen. Der Bodenfonds soll ein Startkapital von 2 Millionen Euro erhalten – was in Anbetracht der Grundstückspreise in Vorarlberg fast schon lächerlich anmutet. Es wird also noch weitere Maßnahmen geben müssen. Gangbare Vorschläge gibt es zur Genüge – hier wäre es wünschenswert, wenn sich die Entscheidungsträger in einen aktiven Dialog begäben, mit bereits aktiven Initiativen, aber auch mit den Bürgern selbst. 


In der nächsten Ausgabe: 

  • Was kann der Bodenfonds leisten
  • Weitere mögliche Maßnahmen 
  • Die Vorschläge der Initiativen 



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