
Bregenz hatte schon lange eine Fußgängerzone. Seit Juli wurde diese aber deutlich erweitert. Nun zählen auch die Rathausstraße, die Anton-Schneider-Straße, die Kirchstraße, die Römerstraße und auch die Maurachgasse zur Fußgängerzone. Ein weites Gebiet. Das heißt, es sind auch viele Anrainer und angesiedelte Geschäfte sowie Unternehmen davon betroffen. Was für den Flaneur, der einfach die Stadt etwas genießen möchte, eine gute Sache ist, kann für Eigentümer, Anrainer und Geschäftstreibende das tägliche (Geschäfts-)Leben deutlich erschweren (zum Beispiel Anlieferung von Waren) und auch zur Wertminderung von Immobilien führen. Ob verkehrsberuhigte Zonen in Dorf- und Stadtzentren gut oder schlecht sind, muss heute nicht mehr diskutiert werden. Dennoch muss gerade bei einer Fußgängerzone – welche für den Verkehr ein vollkommenes Fahrverbot (kostenpflichtige Ausnahmegenehmigungen können beantragt werden) mit sich bringt – gut geprüft werden, ob sie der richtige Weg ist.
Grundlagen für die Errichtung
Die Straßenverkehrsordnung gibt im Abschnitt 8, § 76a vor, wann eine Fußgängerzone errichtet werden darf, welche Kriterien erfüllt sein müssen: „Die Behörde kann, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, die Entflechtung des Verkehrs oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erfordert, durch Verordnung Straßenstellen oder Gebiete dauernd oder zeitweilig dem Fußgängerverkehr vorbehalten (Fußgängerzone).” RA Dr. Markus Hagen, Präsident der Vorarlberger Eigentümervereinigung dazu: „Nur, wenn eine Fußgängerzone notwendig ist, darf eine Fußgängerzone errichtet werden. Untersuchungen müssen gemacht werden, unter anderem gehört der Verkehrsfluss geprüft, wohin wird der Verkehr umgeleitet, ist das alles erfüllt und sprechen die Ergebnisse für eine Fußgängerzone, dann ist dem nichts entgegenzusetzen.”
Fußgängerzone oder Begegnungszone
Fußgängerzonen sind erst seit den 1960er Jahren ein Thema in Österreich. Die erste Fußgängerzone war die Kramergasse in Klagenfurt – das war im Jahr 1961. Die Kärntnerstraße in Wien folgte 1974. 1977 wurde die Bregenzer Kaiserstraße zur ersten Fußgängerzone Vorarlbergs. Die erste Begegnungszone Österreichs folgte erst 2009. Ihren Einzug in die Straßenverkehrsordnung fand sie vier Jahre später. Mit der Begegnungszone wurde eine Option zur Verkehrsberuhigung geschaffen, die auf einer gleichwertigen Nutzung des öffentlichen Raums durch alle Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer – basiert. Eine Fußgängerzone hingegen erlaubt keinen Fahrzeugverkehr, bis auf wenige Ausnahmen. In den vergangenen Jahren ist ein Trend hin zur Begegnungszone zu erkennen. Die positiven Effekte, sowohl von Fußgängerzone als auch Begegnungszone ähneln sich. Beide Zonen-Arten verhelfen dem öffentlichen Raum, besonders in Dorf- oder Stadtzentren, zur Attraktivierung, erhöhen die Fußgängerfrequenz, tragen zur weiteren Belebung desselben bei und senken das Verkehrsaufkommen. Beide Zonen-Arten bringen deshalb eine deutliche geringere Unfallgefahr mit sich. Der Trend zur Begegnunszone lässt sich auf die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung aller Verkehrsteilnehmer zurückführen.
Das Beispiel Bregenz
Seit Juli ist die Verordnung in Bregenz in Kraft. Die Gespräche rund um die Fußgängerzone begannen lange vorher. Werner Braun, Initiator der Petition und Inhaber der Stadtapotheke Bregenz, erinnert sich, wie die Wirtschaftsgemeinschaft Bregenz (WIGEM) im Herbst 2021 weitere Verkehrsberuhigungen in der Stadt forderte. Seit März 2022 wurden dann intensive Gespräche mit den Beamten der Entwicklungsabteilung geführt und auch, laut Braun, gute Lösungen ausgearbeitet. „Der finale Plan wurde uns jedoch vorgelegt mit den Worten, dies wäre die politische Lösung, nicht jene, die die Beamten unterstützt hätten.” Eine Verkehrsberuhigung an sich wäre zu begrüßen, betont Braun. Ebenso befürwortet er die Fußgängerzone, sofern tatsächlich kein Auto in die neue Zone einfahren müsse und es andere Zufahrten gäbe. Als gelungenes Beispiel nennt er die Mariahilferstraße in Wien. Dort sind nur 26 Prozent der gesamten Strecke vollkommen autofrei, der Rest ist Begegnungszone und sowohl Anrainer als auch anliegende Geschäfte haben stets alternative Wege zur Anfahrt und Anlieferung. Die Forderung der Petition – 2203 Unterschriften wurden dafür gesammelt – ist deshalb nicht eine komplette Rücknahme der Verordnung, sondern eine Umwandlung der Fußgängerzone in eine Begegnungszone. Was Braun außerdem verortet, sind Verfahrensfehler. „Es fehlt der Bürgerbeteiligungsprozess – Bürgermeister Michael Ritsch (SPÖ) behauptet, diesen hätte es gegeben – dem ist aber nicht so. Es fehlt ein verkehrstechnisches Gutachten, dort liegt nur ein Konzept vor, die Abstimmung mit dem Land Vorarlberg, bezüglich veränderter Verkehrs- und Straßenführung wurde nicht gemacht. Es fehlt schlichtweg das Behördenverfahren.” Ende Oktober übergaben Mitglieder der „Bürgerinitiative Hilferuf der Bewohner und Betriebe der Bregenzer Innenstadt” Bürgermeister Ritsch die Unterschriften, Mitte November gab es dazu eine Besprechung. Das Ergebnis: eine stückweise Rücknahme der Verordnung. Die die Fußgängerzone nun fast zur Begegnunszone werden lässt.
Transparenz ist gefragt
Ein solches Projekt ist ein einschneidendes und richtungsweisendes für die Zukunft. Hier werden große Entscheidungen für eine Stadt und deren Bewohner getroffen. Umso wichtiger ist es, jene, die unmittelbar von den Veränderungen betroffen sind – Bewohner, Eigentümer, Geschäftsinhaber und Co. –, in diesem Prozess zu berücksichtigen und zu informieren. Hagen unterstreicht das Ausmaß einer solchen Verordnung: „Das heißt, von heute auf morgen kann man nicht mehr einfach zum eigenen Geschäft, Büro oder nach Hause fahren. Es heißt ebenso, niemand anderer – Besucher, Kunden, Klienten, Handwerker – darf einfach mehr zufahren – nur mit kostenpflichtiger Ausnahmegenehmigung. Das kann das tägliche Leben enorm erschweren. Es bedeutet auch einen Wertverlust der Immobilien. Das sind extreme Einschnitte.” In Bregenz, so erklärt Hagen, habe der Bürgermeister die Verordnungskompetenz und so die Ermächtigung, eine Fußgängerzone zu etablieren. Was in der Sache Bregenz aber fehle, sei das transparente Vorgehen. Eine Akteneinsicht sei in dieser Sache nicht möglich. „Nicht einmal als Eigentümer habe ich das Recht den Akt zu prüfen und so mögliche Fehler ausfindig zu machen. Möchte ich mich rechtlich gegen die Verordnung wehren, muss ich das tun, ohne nähere Informationen zu haben. Ich muss unwissend den Instanzenzug durchlaufen.” Für Hagen ist das Beispiel Bregenz nur eines von vielen, die zeigen: Das Amtsgeheimnis muss fallen.
Fahler Beigeschmack
Viele Bewohner der Bregenzer Oberstadt fühlen sich trotz der räumlichen Nähe durch die neue Fußgängerzone abgeschnitten von der Stadt, große Umwege sind notwendig. Der Umstieg auf den ÖPNV ist vielerorts nicht leicht möglich. Petitions-Mitinitator spricht auch von Schilda-artigen Parkplatzsituationen – Parkplätze vom Bauamt vorgegeben, aber de facto nicht nutzbar. Das ist die eine Seite der Geschichte, Bürgermeister Ritsch sieht dies freilich anders. Er verweist darauf, dass eine Umfrage (im Sommer 2022) durchgeführt eine hohe Zufriedenheit mit der neuen Situation bestätige: 57 Prozent der angesiedelten Betriebe sähen die Veränderungen als positiv an. Ritsch räumt gleichzeitig ein, wie bereits im Gespräch mit der Bürgerinitiatve besprochen, dass die Verordnung eventuell nachgebessert gehöre. Aktuell wird die mit dem VCÖ-Mobilitätspreis ausgezeichnete Fußgängerzone von der BH geprüft. Aufsichtsbeschwerden sind dazu eingegangen.
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