STRIKTE REGELN FÜR DIE KREDITVERGABE:

WENIG CHANCEN FÜR JUNGE MENSCHEN


Seit 1. Juli sind die angepassten Standards für die Vergabe von Wohnbaukrediten in Kraft. Wer jetzt einen Kredit für den Hausbau oder den Wohnungskauf benötigt, hat nun noch mehr Hürden zu bewältigen. 

Text: Ursula Fehle 

Bisherige Leitlinien sind jetzt per Verordnung – Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-Verordnung) – festgesetzt. Was bereits in 24 von 30 EWR-Ländern gilt, ist nun auch in Österreich zum Standard geworden. Wer einen Bankkredit zur Finanzierung von Wohneigentum benötigt, muss seit Beginn des Monats folgende Kriterien erfüllen:

  • Mindestens 20 % des Kaufpreises inklusive Kaufnebenkosten müssen in Form von Eigenkapital vom Käufer aufgebracht werden können.
  • Die Laufzeit des Kredits darf 35 Jahre nicht überschreiten.
  • Die Kreditrate darf maximal 40 % des monatlichen Netto-Haushaltseinkommens betragen.

Diese Vorgaben wurden seit geraumer Zeit von der Finanzmarktaufsicht (FMA) eingefordert. Als Empfehlung für die Vergabepraxis der Banken waren sie schon lange ausgesprochen. Aber nicht verpflichtend fixiert. Da die Kreditvergabe der österreichischen Bankinstitute von Nationalbank, FMA und vom Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) als zu lasch, als nicht streng genug und deshalb als potenzielles Risiko für die Finanzmarktstabilität identifiziert wurde, kam es zu dieser Verordnung. Aktuell wären nur 40 % der Kreditnehmer fähig, 20 % an anteiligen Eigenmitteln aufzubringen. Jeder zehnte Kredit hätte eine Laufzeit von über 35 Jahren – und die Rückzahlungsrate läge bei 20 % der Kreditnehmer bei über 40 % des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens. Mehr als 50 % der Kreditnehmer würden die vorgegebenen Mindestkriterien nicht erfüllen können. Mit dieser neuen Regelung sollen Risiken und mögliche Verluste durch eine zu leichtfertige Kreditvergabepraxis verhindert und abgeschwächt werden, die Überschuldung von Kreditnehmern verhindert und eine mögliche Gefahr einer Immobilienpreisblase reduziert werden. 


Eigentum ist nicht mehr leistbar

Verhinderung von Überschuldung und Krisenprävention – das mag nach hehren Motiven klingen. Doch anders betrachtet, wird so ganz einfach die Anschaffung von Wohneigentum, egal, ob in Haus- oder Wohnungsform, für eine beträchtliche Zahl von Menschen in Österreich und besonders Vorarlberg nicht mehr möglich sein. Die Angaben schwanken hier, aber in Zukunft werden zwischen 30 bis 40 % der potenziellen Kreditnehmer keinen Kredit mehr genehmigt bekommen. Das bestätigt auch Christian Hagspiel, Geschäftsführer der Sparkassen REAL Vorarlberg Immobilienvermittlung: „Wie sich diese neue Regelung im Tagesgeschäft auswirken wird, ist noch nicht  100 % ersichtlich. Eines ist jedenfalls klar: es wird deutlich schwieriger, Wohnungseigentum zu schaffen.”  Die Umsetzung der Eigentumsträume wird in vielen Fällen ad acta gelegt werden müssen. 

Ein Zahlenbeispiel aus Langen bei Bregenz: Einfamilienhaus,  114 Quadratmeter Wohnfläche, Kaufpreis 696.000 Euro. Um hier zukünftig einen Kredit bekommen zu können, müssten die Kreditnehmer Eigenmittel von über 160.000 Euro einbringen. Die Hälfte aller Österreicher besitzt weniger als € 76.000 in Geldwerten. Der Kreditbedarf läge bei diesem Einfamilienhaus, wenn auch die Nebenkosten für Grundbucheintragung (1,1% des Kaufpreises), Grunderwerbsteuer (in der Regel 3,5% des Kaufpreises), Maklergebühren (bis zu 4 % des Kaufpreises), Errichtungs- und Abwicklungskosten für den Kaufvertrag (ca. 1-3 % des Kaufpreises) berücksichtigt werden, bei über 800.000 Euro. Die Kreditrate läge bei der maximalen Laufzeit von 35 Jahren wiederum zwischen € 1.700 bis € 1.900. Laut neuer  Regelung müsste hier das monatliche Nettohaushaltseinkommen bei über € 4.300 liegen. Nur dann könnte der Kredit genehmigt werden. Gerade für junge Menschen ist das eine Vorgabe, die kaum zu erreichen ist – sofern nicht großzügige Verwandte den Eigentumtraum finanziell unterstützen. Zur Verdeutlichung: laut Statistik Austria haben 50 % der 20- bis 29-Jährigen ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.900 Euro. Die Kreditrate dürfte also bei diesem Einkommen seit erstem Juli nicht höher als € 760 sein. Die Konsequenz: Immer mehr Vorarlberger, werden sich Eigentum nicht mehr leisten können. 


Dass gehandelt wird, ist zu begrüßen. Aber die undifferenzierte Drastik der Maßnahme benachteiligt junge Menschen. Verunmöglicht in Zukunft in vielen Fällen die Anschaffung von Eigentum.


Dr. Markus Hagen, 
Präsident der Vorarlberger Eigentümervereidigung 

In die Miete gedrängt

Wer sich kein Wohneigentum mehr leisten kann, der muss in Miete wohnen. In jungen Jahren günstig zur Miete wohnen, um Geld für das Eigentum zu sparen, klingt nach einem guten Plan. Nur: Vorarlberger wissen, dass günstig und Miete kein Wortpaar ist, das aktuell zusammenpasst. Bei den Mietpreisen gilt die Faustregel, dass nicht mehr als 30 % des Netto-Haushalteinkommens investiert werden sollten. Damit sollte auch schon die Warmmiete abgedeckt sein. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von € 1.900, dürfte die Miete (warm) somit bei maximal  € 570 liegen. Die Mietpreise sind in Vorarlberg in den vergangenen zehn Jahren um 45 % gestiegen. Kleinwohnungen (mit bis zu maximal 57 Quadratmetern) liegen in den Mietpreisen meist über den genannten € 570. Wer in jungen Jahren zur Miete wohnt, wird in Vorarlberg nicht das Geld sparen können, um sich später Eigentum anzuschaffen. Die neue Kreditregelung für Wohneigentum drängt somit junge Leute mit hoher Wahrscheinlichkeit in dauerhafte Mietverhältnisse. 


Ausnahmen und Ausgleich schaffen

„Es ist gut, wenn versucht wird, mit bestimmten Maßnahmen eine mögliche Immobilienblase zu verhindern”, so der Präsident der Eigentümervereinigung, RA Dr. Markus Hagen. Aber: „Diese Lösung ist zu undifferenziert. Für einen Gutverdiener mit Vermögen machen die Vorgaben keinen Unterschied. Die Jungen fallen jedoch durch den Rost.” Hagen sieht durch die Verordnung die Möglichkeit einer Preiskorrektur. Aber keine, die die Immobilienpreise wesentlich entlasten wird. Auch Christian Hagspiel,  Sparkasse REAL, glaubt nicht an die große Hebelwirkung in der Preispolitik „Die Anschaffung von Wohnungseigentum wird deutlich schwieriger. Ob das schlussendlich zu einer Preissenkung führen wird? Ich kann es mir nicht vorstellen.” Hagen fordert deshalb Ausnahmen beziehungsweise Lösungsansätze, die der jüngeren oder weniger wohlhabenden Käuferschaft die Anschaffung von Eigentum weiterhin ermöglichen. „Wohneigentum ist mehr als nur eine Wohnmöglichkeit. Die Schaffung von Eigentum spielt eine wichtige Rolle, besonders für die Altersvorsorge und im Zusammenhang mit dem Aufbau und Erhalt von Wohlstand.” Als einfache und leicht umsetzbare Lösung sähe er unter anderem den Verzicht auf die Grunderwerbssteuer (3,5 % des Kaufpreises) sowie der Eintragungsgebühr (1,1 des Kaufpreises). Bei oben genanntem Preisbeispiel, Kaufpreis des Hauses € 696.000) würden somit über € 32.000 eingespart werden können. Über €  1,6 Milliarden hat der Staat Österreich 2021 über die Grunderwerbsteuer eingenommen. 2014 lagen die Einnahmen noch bei € 861 Millionen. Die Abgaben haben sich also in den letzten acht Jahren verdoppelt. Steigen die Kaufpreise, steigen auch die staatlichen Einnahmen durch die Grunderwerbsteuer. Hagen dazu: „Der Staat profitiert von den steigenden Immobilienpreisen, zulasten junger Familien. Ein Verzicht auf Grunderwerbssteuer und Eintragungsgebühr in Ausnahmefällen, könnte sich der Staat also mehr als leisten.” 


Guter Ansatz, schlechte Lösung

Das Bestreben mit der KIM-Verordnung, den vermeintlich  „großzügigen” Kreditvergabemethoden der Banken Einhalt zu gebieten und Entspannung an den Preissteigerungen am Immobilienmarkt zu erreichen, ist zu befürworten. Die Lösung wirkt aber – egal von welcher Seite betrachtet – wenig durchdacht. Anfang des Jahres sprachen Landeshauptmann Markus Wallner und Landesrat Marco Tittler von den diesjährigen Schwerpunkten im Wohnbau. Die Schaffung von Eigentum nannten sie als Fokusthema. Mit der KIM-Verordnung wurde nun ein neues Hindernis auf dem Weg zum Eigentum geschaffen. Die Lösungen dafür können nicht nur auf Landesebene liegen, aber Lösungsvorschläge dürfen von den Vertretern des Landes erwartet werden.

Ein Rechenbeispiel

Kaufpreis 
696.000 €
+ Grunderwerbssteuer (3,5%)
24.360 €
+ Errichtung des Kaufvertrags (2%)
13.920 €
+ Eintrag Eigentumsrecht (1,1%)
7.656€
+ Hypothek Eintrag (1,2%)
8.352 €
+ Maklergebühren (3,6%)
25.065 €
Summe Nebenkosten
79.344,00
+ Zinsen (Rückzahlung über Kreditrate)88.836 €
Gesamtkosten
864.180 €
- Eigenmittel
171.180 €
Kreditbedarf
693.000 €

Aufteilung der Kosten

81 %

Kaufpreis

9 %

Nebenkosten

10 %

Zinsen

Bei einer Kreditlaufzeit von 35 Jahren und einem angenommenen Effektivzins von 0,8 % p.a ist mit einer Kreditrate zwischen 1.763 € und 1.940 € zu rechnen. Die Berechnung basiert auf einem unverbindlichen Richtwert von Immobilienscout24

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