GUTACHTEN:

GRUNDSTÜCKSKAUF NUR BEI BEDARF? RECHTLICH MÖGLICH!


Vorarlberg hat ein Problem. Mehrere, um genau zu sein. Baulandhortung, leistbares Wohnen, steigende Immobilienpreise, erschwerte Anschaffung von Eigentum, sind nur jene Schlagworte, die die täglichen Gespräche bestimmen. Vorarlberg hat aber keine Lösung. Das Gutachten von Universitätsprofessor und Verfassungsjurist Peter Bußjäger zeigt rechtliche Möglichkeiten und somit Handlungsspielräume für das Land auf – aber keinen Ausweg aus der misslichen Lage.

Text: Ursula Fehle 

Es werden und wurden bereits Maßnahmen in Vorarlberg gesetzt, die alle die Situation rund um Grund, Boden und Wohnen verbessern hätten sollen – unter anderem die Novelle des Raum- und Grundverkehrsgesetz 2019. Ein Blick auf die aktuelle Lage lässt jedoch nur einen Schluss zu. Die gesetzten Maßnahmen waren bisher ineffektiv, wenn sie nicht sogar eine negative Wirkung hatten. Die Preise steigen. Kostete in Vorarlberg ein Quadratmeter Bauland im Jahr 2015 im Durchschnitt noch 378.- Euro. Aktuell liegt er laut Immobilienpreisspiegel der Sparkasse bei einfachen Grundstücken (durchschnittliche Lage) bei 650.- Euro – und bei guten Grundstücken (in sehr guter Lage) bei 961.- Euro. Eine bedenkliche Entwicklung, die zeigt, dass Grundeigentum für immer weniger Vorarlberger leistbar wird. Wird dies weiter gedacht, könnte in Zukunft immer mehr Grundeigentum in den Händen von Wenigen liegen. Genau das, was eben durch oben genannte Maßnahmen auch verhindert werden hätte sollen.  An diesem Punkt setzt das von der Arbeiterkammer Vorarlberg (AK) beauftragte Gutachten von Univ. Prof. Dr. Peter Bußjäger an. Es beleuchtet die vorhandene Situation, geht auf die Kompetenzen des Landes ein, zeigt die bisherigen regulativen Ansätze auf und klopft rechtliche Möglichkeiten für weiteres Handeln seitens des Landes ab. Hier wird der Fokus darauf gesetzt, zu prüfen, ob es grundsätzlich möglich wäre, Grundstücke nur noch an jene zu verkaufen, die sie auch wirklich brauchen. Und ja, es wäre rein rechtlich möglich, sobald leistbares Wohnen als Raumordnungsziel im Raumplanungsgesetzt festgehalten wäre. 


Was ist Bedarf

Die Arbeiterkammer fordert, auf Basis des Bußjäger-Gutachtens, dazu auf, diese Beschränkung des Grundverkehrs zu etablieren. Der Vorschlag der AK sähe wie folgt aus: 

Die Beschränkung würde zeitlich befristet gelten und auch nur im Rheintal und Walgau. Zusätzlich müsste ein Genehmigungsmodell erstellt werden, das festlegt, wann Bedarf konkret vorhanden ist und somit auch Grund und Boden, bebaut oder unbebaut, erstanden werden darf. Im Vorschlag der AK wäre Bedarf dann vorhanden und ein Genehmigungsbeweis zu erteilen, wenn das Grundstück zur Deckung eines Wohnbedürfnisses erstanden wird und dies auch nachgewiesen werden könnte. Wer bereits über Grundstücke im Baurecht oder auch eine Eigentumswohnung verfügt, könnte kein weiteres anschaffen. Vorsorgekäufe für die eigenen Kinder sollten dennoch weiterhin möglich sein. Wer jedoch bereits mehr als 10.000 Quadratmeter an bebautem oder unbebautem Baugrund sein Eigen nennt, der hätte laut AK-Vorschlag genug an Vorrat und egal, ob natürliche Personen oder Gesellschaften, kein Möglichkeit mehr auf eine Bedarfsgenehmigung. 


Viele Fragen unbeantwortet

RA Dr. Markus Hagen, Präsident der Vorarlberger Eigentümervereinigung, zu diesem Vorschlag: „Dass die Situation schwierig ist, ist uns allen bewusst. Aber mit diesem Ansatz würde wieder massiv in den Grundverkehr eingegriffen werden, dass es wieder nur zu Ungerechtigkeiten führen würde. Solche Eingriffe müssen sehr gut in alle Richtungen untersucht werden, um nachteilige Marktreaktionen auszuschließen. Das kann sonst gefährlich sein.” Außerdem lässt der Vorschlag viele Fragen unbeantwortet: Was ist mit Alleinstehenden, dürften jene für sich nicht noch zusätzlich, wenn es die finanziellen Mittel erlauben, eine Vorsorgewohnung erstehen? Dürften Onkel, Tante, Oma oder Opa für die Nichten, Neffen, und Enkel ein Grundstücke anschaffen, wenn zum Beispiel die Eltern nicht die finanziellen Mittel zu Vorsorgekäufen hätten? Wie wird der Bedarf bei einem Bauträger bewertet oder ermittelt? Wie sieht es bei den Kommunen aus? Würde eine regionale Beschränkung der Maßnahme nicht nur einfach zur einer Verlagerung, Teuerung in anderen Regionen führen? 


Weites Problemfeld

Im Vorschlag der AK wird Abstand von einer Bebauungspflicht (Anmerkung d. Redaktion: 2019 wurde eine Bebauungspflicht im Zusammenhang mit der Novelle des Raum- und Grundverkehrsgesetzes eingeführt) eines bei Bedarf erstandenen Grundstücks genommen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich viele junge Familien sehr schwer tun würden, einen Baugrund zu finanzieren. Eine vorgeschriebene Bebauung innerhalb einer Frist wäre somit nicht sinnvoll, da die finanziellen Mittel dafür fehlen würden. Hier wird die Weite der Problematik deutlich: Junge Vorarlberger haben immer öfters nicht die finanziellen Möglichkeiten, sich ein Grundstück zu kaufen, geschweige denn, darauf noch ein Haus zu errichten. Mit der neuen Kreditregelung, die seit 1. Juli in Kraft ist, haben die meisten zudem keine oder sehr geringe Chancen auf einen Baukredit. Egal, ob ein Bedarf vorhanden ist oder nicht, die Leistbarkeit ist nicht gegeben. Dass Vorsorgekäufe laut Vorschlag der AK möglich sein würden, ist gut und recht, aber wird in den meisten Fällen an der Machbarkeitsprüfung – zu geringe finanzielle Mittel – scheitern. Die Situation ist dermaßen verfahren, dass sich sogar Familien, die bereits über ein Grundstück, meist durch eine Erbschaft erhalten, verfügen, es sich nicht mehr leisten können, darauf ihr eigenes Haus zu bauen. Denn nicht nur die Grundstückspreise sind in Vorarlberg in den vergangenen Jahren massiv gestiegen, sondern auch die Baukosten. „Das Bauen an sich ist extrem teuer geworden. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Zum Teil haben sicher auch die misslungene Raum- und Grundverkehrsnovelle und kritischen Entscheidungen zur Wohnbauförderung dazu beigetragen. So oder so: Grundstücke und dazugehörige Bebauung sind heute fast nicht mehr leistbar”, so RA Dr. Hagen. Mit dem Vorhaben Grundstückskauf wird also versucht, etwas zu ermöglichen, das für einen Großteil der Vorarlberger Bevölkerung ohnehin schon nicht mehr machbar ist. Unabhängig davon, ob der Bedarf vorhanden ist, oder nicht. Was sich daraus ergäbe, wäre eine Esel-Karotte-Situation: Er könnte die Karotte haben, wenn er sie denn erreichte. 


Zielloses herumwerkeln

VEV-Präsident Hagen findet zur Situation im Ländle klare Worte. „Die Politik hat bereits mehrfach mit diversen Maßnahmen in dieses Marktsegment eingegriffen. Leider waren diese Eingriffe nicht fachlich fundiert, sondern wurden rein aufgrund politischen Bauchgefühls gesetzt. Es wird hier zum Teil ziellos rumgewerkelt und suggeriert, es gäbe für alles eine einfache Lösung. Dem ist nicht so und das so darzustellen, ist gefährlich.”  Auf die Ziellosigkeit weist auch Bußjäger im Gutachten hin. Außerdem wird auf die nicht-vorhandene Transparenz gerade im Zusammenhang mit Wohnbauförderungsbeiträgen aufmerksam gemacht. Hier sollen 2020 rund 25 Millionen gar nicht verbraucht worden sein. Wohin das Geld geflossen ist, bleibt ungeklärt. 


Der Griff nach dem Strohhalm

Das Gutachten zeigt die Handlungsmöglichkeiten des Landes auf. Es macht aber ebenso deutlich, dass keine singuläre Maßnahme zum Ziel führen kann. Sondern, dass es hier ineinandergreifende Aktionen benötigt. Und: Dass es ohne definiertem Ziel auch nie eine Zielerreichung geben kann. Es ist eine Aufforderung an die Entscheidungsträger, sich Ihrer Verantwortung bewusst zu werden und aktiv zu werden – und zwar auf sinnvolle, nicht auf willkürliche Weise. Es ist auch ein Abklopfen der Optionen, die in einer solch schwierigen Lage, wie sie in Vorarlberg zu finden ist, zur Kursänderung beitragen könnten. Eine Art Griff nach dem Strohhalm. Käme der Grundstückskauf nur bei Bedarf zur Umsetzung – das Land Vorarlberg prüft gerade die im Gutachten festgeschriebenen Vorschläge – wäre es dennoch wieder eine Maßnahme, deren Wirkung vorher nicht tiefgehend untersucht und auch nicht abgeschätzt werden konnte. Dies räumte auch AK-Direktor Rainer Keckeis bei der Gutachten-Präsentation ein. Was aber sicher sei, wäre, dass die, die eh schon viel hätten, nicht mehr kaufen könnten. Sowohl Gutachten als auch der Vorschlag seitens der AK sind insofern zu begrüßen, dass sie den Finger in die Wunde legen. Zur Heilung wird dies aber nicht beitragen.

 


 Weitere Informationen:

Hier das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger online lesen: 

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