„DAS MACHT MIR TATSÄCHLICH SORGE“

Die hohe Inflation kommt im Rahmen der Indexanpassung am Wohnungsmarkt an. Vor allem Kleinvermieter agieren bei Erhöhungen häufig zurückhaltend, steigende Zinsen, neue gesetzliche Vorgaben und hohe Baukosten setzen Eigentumserwerb weiter unter Druck.

Text: Florian Dünser

Teuerung: So inflationär der Begriff seit Jahren in Verwendung ist, so passend ist die Bezeichnung für die aktuelle Situation in ganz Europa. Die Preise steigen. Und das extrem schnell – mit ungewissem Ausgang. Die österreichweite Inflation ist im Juli um 9,2 Prozent gestiegen, wie die Statistik Austria informierte – ein nochmaliges Plus um 0,8 Prozent zum bereits hohen Level des Vormonats. Zum Vergleich: Im Juli 2021 lag die Inflation bei 2,9 Prozent. Teuerungsraten auf diesem Niveau sind kein gänzlich neues Phänomen – und doch seit Jahrzehnten kein gewohntes Bild. Zuletzt gab es Inflationsraten auf diesem Niveau in den 1970er-Jahren. Freilich unter gänzlich anderen Vorzeichen. 

Die Gründe für diesen massiven Anstieg? Mannigfaltig. Und doch ist eine ganz klare Hauptursache festzumachen: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Seither schießt die Inflation nahezu ungebremst nach oben. Die Hauptpreistreiber sind Treibstoffe, Haushaltsenergie, Nahrungsmittel und Restaurants. Und das merkt man auch im Miniwarenkorb in Vorarlberg, in welchem neben Nahrungsmitteln und Dienstleistungen auch Treibstoffe enthalten sind: Im Jahresvergleich verzeichnet man hier ein Plus von unglaublichen 18,8 Prozent. 


Praxis kennt zwei Modelle

Ein Umstand, den jeder Vorarlberger in seinem Alltag bereits spürt. Und bald noch deutlicher zu spüren bekommen wird. Denn: Die Preise vieler Güter und Dienstleistungen orientieren sich am Verbraucherpreisindex (VPI), der wiederum auf Basis der Inflation berechnet wird – darunter auch ein Großteil der Mietverträge in Vorarlberg, wie VEV-Geschäftsstellenleiterin Andrea Schwaninger erklärt. Es gibt in der Praxis de facto zwei Methoden, die angewendet werden:

Jährliche Anpassung: 
Es wird ein Monat im Jahr fixiert, an dem die Bemessung der Mietzins-Steigerung auf Basis des VPI vollzogen – und im Folgemonat umgesetzt wird. 

Schwellenwerte:
Es wird vertraglich ein Schwellenwert festgelegt – beispielsweise 2 Prozent. Der Mietzins wird nach Überschreiten des Wertes angepasst. Deutlich häufiger findet die jährliche Anpassung Anwendung. „Das betrifft natürlich nur Mietverträge außerhalb der Vollanwendung des Mietrechtsgesetzes (MRG)“, erklärt Schwaninger. Letztere sind dem Richtwertmietzins unterworfen. Die Erhöhung dort basiert auf einer gesetzlichen Grundlage. Das betrifft allen voran Altbauten, die vor 1945 errichtet wurden – und tangiert in Vorarlberg somit nur eine Minderheit der Mietverträge.


Unterschiedliche Praxis 

Klar ist: Sofern vertraglich festgelegt, steht die Index-angepasste Mietzinserhöhung jedem Vermieter zu. Der Vollzug scheint im Alltag aber höchst unterschiedlich vonstatten zu gehen. Vor allem Kleinvermieter würden derzeit häufig von einer vollen Anpassung auf Basis des VPI absehen. „Hier sehen wir wieder, wie gut das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter in Vorarlberg ist. Viele Vermieter gehen hier sehr moderat vor, wollen ihre Mieter finanziell nicht überfordern“, so Schwaninger. Zum einen aufgrund des angesprochenen guten Verhältnisses. Zum anderen aber auch, weil eine finanzielle Überforderung beiden Seiten wenig bringt. Gegenüber Haus & Grund sagt ein Vermieter mit fünf Wohneinheiten, der namentlich nicht genannt werden möchte: „Wenn ich einen Mieter habe, der sich aufgrund der aktuellen Teuerung das Leben und in weiterer Folge die Miete nicht mehr leisten kann, wird das in weiterer Folge zwangsläufig zum Problem für mich.“

Ich gehe schon davon aus, dass es zu einer erhöhten Nachfrage nach Mietobjekten kommen wird. Für viele ist die Türe im Eigentum einfach mittlerweile zu.


Christian Hagspiel

sReal-Immobilien Geschäftsführer

Zinsen steigen

Sorgenfalten beschert der Wohnungsmarkt aber auch in anderen Aspekten. Etwa im Rahmen des neuen Kreditgesetzes (Anm.: siehe Haus & Grund 03/22) – oder aufgrund der steigenden Zinsen. „Kredite werden in ihrer monatlichen Leistbarkeit teurer“, erklärt sReal-Immobilien-Geschäftsführer Christian Hagspiel gegenüber Haus & Grund. Von Jänner bis Juli haben sich die Zinsen um ein Prozent erhöht. „Diese Dynamik finden wir auch in der Historie eher selten“, sagt er. Im Zusammenspiel mit den strengen gesetzlichen Vorgaben, führe dies zu einer weiteren Verunsicherung am Immobilienmarkt. „Ich gehe schon davon aus, dass zu einer erhöhten Nachfrage nach Mietobjekten kommen wird. Für viele ist die Türe im Eigentum einfach mittlerweile zu“, findet Hagspiel klare Worte. Auch aufgrund der ausufernden Baukosten.


„Wir sind Marionetten“

Günther Ammann, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder, ortet in dieser Hinsicht zumindest auch Lichtblicke. „Die Kosten für den Erwerb von Grund und Boden haben sich im vergangenen halben Jahr stabilisiert, in gewissen Bereichen sehen wir bei den Baukosten eine leichte Entspannung, zum Teil sogar eine leicht rückläufige Tendenz“, sagt er mit Verweis etwa auf Stahl und Holz. Und trotzdem: „Die Globalisierung schlägt in den Baukosten voll durch. Wir sind hier nur Marionetten internationaler Konzerne“, findet Ammann deutliche Worte. Lieferanten würden einem jetzt schon die nächsten Preiserhöhungen für Herbst ankündigen. Was ihm derzeit am meisten Sorgen bereitet? Das Bauvolumen bei Gemeinden, im Gewerbe und bei gemeinnützigen Wohnbauträgern. „Da herrscht de facto Baustopp.“ Wenn sich dieser Umstand weiter prolongiere, würde nämlich ein ganz anderes Problem auf uns zukommen: „Dann haben wir keinen Fachkräftemangel mehr, sondern die Fachkräfte haben keine Arbeit mehr.“


Sorgenfalten bei der Vogewosi

Die Zurückhaltung bei der Bautätigkeit ist bei gemeinnützigen Wohnbauträgern auf das Kostendeckungsprinzip zurückzuführen. Der Mietzins berechnet sich über die Baukosten. Das heißt: Je höher die Baukosten – umso höher der Mietzins. Vogewosi-Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Lorenz berichtet im Gespräch mit Haus & Grund von einer sich zuspitzenden Lage. Auch eine gemeinnützige Neubauwohnung liege mittlerweile bei rund 11,50.- Euro Miete pro Quadratmeter – knapp 900.- Euro pro Monat für 80 Quadratmeter. „Diese Dynamik, die wir vor allem seit 2014 beobachten und in den vergangenen zwei Jahren nochmals an Fahrt gewonnen hat, macht mir tatsächlich Sorgen“, sagt Lorenz. Das Kostendeckungsprinzip ermögliche es nun aber zumindest, dass die Bestandsmieten bei der Vogewosi nicht in jenem Ausmaß von der Teuerung betroffen sind, wie am freien Markt. Und trotzdem: „Auch bei uns unterliegen gewisse Mietbausteine der Indexierung – etwa der Instandhaltungsbeitrag oder die Verwaltungskosten“, erklärt er. Die größten Bauchschmerzen bereiten dem gemeinnützigen Bauträger die ausufernden Betriebskosten. „Wir haben mit den Anbietern zwar langfristige Verträge, aber auch wir müssen die Mehrkosten, die nun entstehen, weitergeben. Es wird zu einer deutlichen Anhebung kommen“, so Lorenz mit Blick auf die nächsten Monate. Gerade die Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen seien mittlerweile derart komplex geworden. „Es sind einfach viel mehr Positionen als früher“, erklärt er – und nennt das Beispiel Winterdienst. „Früher wurde das oft hausintern organisiert. Die Menschen in den Wohnanlagen haben selber Winterdienst gemacht und konnten sich so diesen Betrag sparen“, erklärt er. „Heute geht das aufgrund von Haftungsfragen nicht mehr.“ Der Blick in die Zukunft sei derzeit kein positiver.

 Mehr Informationen

Die Leerstandsstudie wurde 2018 vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen durchgeführt, um die unterschiedlichen Formen des Wohnungsleerstandes in Vorarlberg zu identifizieren.

Lesen Sie als nächstes

Grundstückskauf nur bei Bedarf rechtlich möglich
Vorarlberg hat ein Problem. Mehrere, um genau zu sein. Baulandhortung, leistbares Wohnen, steigende Immobilienpreise, erschwerte Anschaffung von Eigentum, sind nur jene Schlagworte, die die täglichen Gespräche bestimmen.
Lesen

© 2022 Vorarlberger Eigentümervereinigung