WETTEIFERN UM GRUNDSTÜCKE

Seit über 25 Jahren ist Martin Summer Teil der Rhomberg Bau GmbH. Ein Zeitraum, in der sich die Immobilienbranche und der Markt in Vorarlberg stark verändert haben. Ein erfahrener Gesprächspartner, der trotz Krise positiv in die Zukunft blickt.

Interview: Ursula Fehle 

Martin Summer

Der Markt ist überhitzt. Eine Immobilienblase sehe ich aber nicht.

Zur Person

Betr. Oec. Ing. Martin Summer

Geschäftsführer Rhomberg Bau GmbH, Österreich /
Leitung Markt Vorarlberg

info@rhomberg.com
www.rhomberg.com/de

Welche Bedeutung hat der hohe Bau- und Wohnflächenvorrat für die Bewertung und den Kauf von Grundstücken und Gebäuden? Für die Firma Rhomberg im Besonderen?

Summer: Vorrat an Baugrund ist natürlich vorhanden. Das heißt: Es gibt wenige Umwidmungen oder Neuwidmungen. Was den tatsächlichen Wohnflächenvorrat angeht, gibt es meines Wissens keine validen Werte. Nur Mutmaßungen, was ungefähr vorhanden sein könnte. Was zu erwarten ist, ist dass allenfalls vorhandene Leerstände aufgrund der vorherrschenden Marktbedingungen – Kostensteigerung, Zinsentwicklung und so weiter – sukzessive auf den Markt kommen werden. Davon gehe ich aus. Auch, weil aktuell Neubauprojekte verschoben werden. Das heißt, wenn hier also Bestandsflächen leer stehen würden, kommen diese jetzt eher auf den Markt. Was vermehrt vorkommt: Wir erwerben schon bebaute Flächen und die Objekte werden umgenutzt, abgebrochen oder saniert. Der Bedarf nach Wohnfläche ist, meiner Meinung nach, noch immer vorhanden. Wobei es da seit längerer Zeit eine schleichende Verschiebung von Privat Käufern hin zu Anlegern und Investoren gibt. Die Quote ist dort steigend. Und das Angebot ist ausreichend. Überangebot möchte ich nicht sagen, es ist aber sicher genug am Markt. Auch wegen der Überhitzung des Marktes in den vergangenen Jahren. Für den Mieter sehe ich dort den Vorteil, dass er sich die Wohnung nach seinen Anforderungen aussuchen kann. Der Druck wächst dann auch auf die Vermieter bei jenen Objekten, die nicht den Anforderungen entsprechen – schlechtere Lage, schlechterer Zustand. Das heißt dort könnte der Mieter eventuell noch verhandeln, wenn es um den Mietpreis geht. Für Rhomberg gehe ich davon aus, dass sich diese steigende Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt, wobei ich von einer leichten Abflachung ausgehe. Beziehungsweise ich hoffe, dass es sich abflachen wird, wegen der erwähnten Überhitzung. Ich bin jetzt seit 25 Jahren im Unternehmen. Als ich angefangen habe, waren die Marktbedingungen ganz andere. Da lag der Wohnkredit-Zinssatz bei 6 % und wir haben dafür gekämpft die Vorverkaufsquote zu erreichen und sogar bei Fertigstellung gab es oft noch unverkaufte Wohneinheiten, die häufig ein, zwei bis drei Jahre quasi mitgeschleppt wurden. Das hat es in den letzten sieben bis acht Jahren nicht mehr gegeben. Alles war immer rasch ausverkauft. Wo ich mir sicher bin, ist, dass die qualitative Umsetzung und Verwertung von Objekten in ausgesuchten Lagen weiterhin gut funktionieren wird. 


Grundstückssuche - wie leicht/schwer ist diese für Rhomberg Bau?

Summer: Grundsätzlich ist das so, wenn wir über die Preisentwicklung bei Grundstücken und die Faktoren sprechen, muss das regional betrachtet werden. Vorarlberg ist ein starker, attraktiver Standort und Lebensraum  im Vier-Länder-Eck. Die Bevölkerung wächst, Zuzug ist vorhanden. Außerdem ist das Thema Eigentum bei den Vorarlbergern ein wichtiges. Natürlich ist Grund und Boden ein knappes Gut. Wer heute als Privatperson ein Grundstück hat, der wird das nicht verkaufen, wenn er nicht muss. Das wird bewahrt für die nächste Generation. Wenn ein Grundstück auf den Markt kommt, dann weil es eine Notwendigkeit gibt – ein Erbfall, eine Scheidung, eine wirtschaftliche Notsituation. Wenn abseits dieser Gründe ein Grundstück auf den Markt kommt, dann hat das oft mit Wandlungsprozessen zu tun. Hier kommen Eigentümer auf uns zu und sagen, sie haben ein Grundstück und möchten es anders nutzen, profitabler machen. Eventuell ein Anlage darauf bauen, damit es dann auch noch Mieteinnahmen – als Pensionsvorsorge oder ähnliches – gibt. Da entwickeln wir dann gemeinsam mit dem Eigentümer eine Immobilie, ein Teil bleibt beim Eigentümer, ein Teil  wird von uns verwertet. Da gibt es verschiedenste Konstruktionen. Was sich auch verändert hat: Die Zahl der Bauträger - oft sind das One-Man-Shows - ist enorm gestiegen. Da wird um jedes Grundstück wettgeeifert. Viele Liegenschaften werden mittlerweile unter den Bauträgern fast versteigert Ein kleiner Zeitsprung: Vor 20 Jahren, wenn wir dort ein Grundstück in Dornbirn angeboten bekommen haben, dann haben wir uns das angeschaut und überlegt, interessiert es uns oder nicht, wer könnte hier unser Mitbewerber sein - die konnten wir an einer Hand abzählen. Heute bieten alle immer mit. So gehen die Preise in die Höhe. Grundstückssuche ist für uns extrem schwierig geworden. Ähnlich schwierig wie die Personalsuche. (schmunzelt) Dazu kommt auch noch, dass Verdichtung ein großes Thema ist, das zwar von der Politik gewünscht wird, bei dem dann aber in den Gemeinden oft der Mut fehlt, hohe Baunutzungen zu genehmigen, weil die Verantwortlichen Angst um Wählerstimmen haben.


Wieso liegt die Preiserhöhung für Immobilien deutlich über der allgemeinen Inflation in Vorarlberg?

Summer:  Das hat mehrere Ursachen. Zum einen ist es die Marktstruktur. Da gibt es die Bauträger wie Rhomberg, dann gibt es die gemeinnützigen, die in den letzten Jahren sehr stark in den Neubau eingestiegen sind. Aktuell sind sie aber gesättigt. Dann gibt es viele Investoren – das hängt wieder mit der Zinssituation zusammen. Jeder, der etwas übrig hat, kauft Immobilien. Es wird also um die Liegenschaften gerittert. Bei Bauträgern geht es auch um das Überleben des Unternehmens. Aber auch das Thema Handwerkerknappheit macht es schwierig. Es gibt oft wenige Angebote auf Ausschreibungen – auf gewisse Gewerke. Die Handwerker haben eine goldene Zeit. In dieser Kette sind auch die Lieferanten und Hersteller von Produkten, die alle partizipieren und dann kommen noch die Auflagen und Behördenverfahren, die immer intensiver werden. Das spielt alles zusammen und dann haben wir eben diesen besonderen Markt hier in Vorarlberg. Im Burgenland sieht das anders aus. Für Vorarlberg gibt es leider kein Rezept, die Situation zu lösen. Und: Auch die plakative Präsentation von Verkaufspreisen in uns allen bekannten Vorarlberger Medien trägt dazu bei, dass die Situation nicht lockerer wird. Das befeuert die Teuerung. 


Aber der Anteil der Immobilienunternehmen an diesen steigenden Preisen kann nicht geleugnet werden? 

Summer: Nein, wir haben sicher einen erheblichen Anteil daran. Das ist auch der Vielzahl der Unternehmen geschuldet. Und: : Das auch jeder kleine Bauträger die Finanzierung geregelt bekommt, wenn es um eine Liegenschaft geht. Dadurch haben sicher einige gute Geschäfte gemacht. Wenn sich die Zinslandschaft verändern würde, wäre das wahrscheinlich etwas anders. Aber das wird in absehbarer Zeit nicht so sein.


Seit Juli gelten neue Regelungen für die Kreditvergabe, merken Sie da schon Auswirkungen?

Summer: Ja, das ist eine Schwierigkeit. Private, die das bisher noch irgendwie geschafft haben zu finanzieren, werden es jetzt eben nicht mehr schaffen. Das wird eine weitere Verschiebung vom Eigentum hin zur Miete bringen . Mehr Leute werden in der Miete bleiben müssen. Ich persönlich empfinde das als negative Entwicklung. Was vielleicht etwas dagegen wirken kann, ist, dass es heute weniger Erben gibt als früher. Zu meiner Zeit hatte jede Familie gefühlt mindestens vier Kinder. Das Erbe musste als auf vier aufgeteilt werden. Heute haben viele Familien nur noch ein oder zwei Kinder. 


Das Stichwort Überhitzung ist schon gefallen. Heißt das, es besteht bereits eine Immobilienblase in Vorarlberg?

Summer: Immobilienblase im klassischen Sinn, so dass man für die Halde baut, das haben wir hier nicht. Das gab es zu Zeiten der Finanzkrise 2008/2009 in Spanien und Amerika. Das sehe ich bei uns nicht. Bei uns ist es einfach richtig schön - das sage ich, als eingefleischter Vorarlberger. Es ist fast der schönste Platz auf Erden. Berge, Seen, öffentlicher Verkehr, alles, was man braucht, wir haben es. Wir sehen das bei uns im Unternehmen, wenn wir Mitarbeiter aus Deutschland anheuern, nach kurzer Zeit sagen sie: „ich bleibe hier” und wollen dann auch kaufen. Wir sind einfach ein Immobilien-Hotspot. Natürlich gibt es extremere Beispiel wie München. Wie gesagt, der Markt ist überhitzt. Aber eine Blase sehe ich nicht. Ich hoffe, dass sich die Situation etwas entspannen wird. Die Zeichen deuten auch darauf hin.


Grund und Boden Verbrauch, Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Nachhaltigkeit – wie geht man mit diesen wichtigen Themen als Bauträger um?  

Summer: Ein Unternehmen muss immer wirtschaftlich denken. Nachhaltigkeit ist aber bei uns im Unternehmen schon seit über 15 Jahren als Hauptstoßrichtung verankert.  Da gehört auch der bewusste Umgang mit Grund und Boden dazu. Wir versuchen, wenn wir ein Grundstück haben - im Dialog mit den Gemeinden – etwas Optimales zu schaffen. Etwas entstehen zu lassen, von dem der Ort an sich profitiert. Viele Liegenschaften, die wir in den vergangene Jahren erstanden haben, waren schon bebaut – teilweise waren es Abbrüche und Ersatzneubauten. Wo vorher ein Einfamilienhaus stand, haben wir eine Wohnanlage im Sinne der Nachverdichtung erstellt. Worauf wir achten, ist dass wir Grundstücke in zentralerer Lage bekommen und nicht in Zersiedlungsgebieten. Zur Nachhaltigkeit gehört auch ganz klar der Klimaschutz. Wir haben dort unter anderem  mit WoodRocks – schnelles und verschwendungsarmes Bauen, vorgefertigte Wand- und Deckenteile aus Holz – schon zwei Projekte umgesetzt. office ZERO ist ein anderes Beispiel, bei dem wir diese Bauweise auch für den Gewerbebau anbieten – erstmals aktuell an der Bärenkreuzung. Verschiedene Forschungsprojekte sind außerdem im Köcher. Wir haben unter anderem in der Wolfurter Lerchenstraße zwei typengleiche Gebäude errichtet - eines mit Holz-, das andere in Massiv-Konstruktion, und Errichtung sowie Betrieb untersucht und verglichen. Parallel monitoren wir die Energieverbräuche, aber auch das Wohlbefinden. Und auch als Unternehmen selbst machen wir viel: Wir haben das Ziel Energieautonom zu werden, wir haben einen großen Pool an E-Autos, Fahrrädern, wir bieten Mobilitätsstation und vieles mehr. Wir versuchen uns hier immer sinnvoll weiterzuentwickeln. Nachhaltigkeit geht in drei Stoßrichtungen: Sozial, ökologisch und ökonomisch. Dies setzen wir auch so um.


Welche Bedeutung haben der Ukraine-Krieg den Bau und den Verkauf von Grundstücken und Gebäuden?

Summer: Beim Bau Preissteigerung und Materialknappheit. Gewisse Standardprodukte sind jetzt nicht immer mehr leicht oder sofort verfügbar. Im Grundstücksbereich glaube ich nicht, dass die Krise große Auswirkungen hat. Im Verkauf von Wohnungen und Gebäuden geht damit jeder Markt-Player etwas anders um. Es gibt solche, die den Verkauf gestoppt haben. Verkauft wird erst nach Fertigstellung. Dann ist klar , wie hoch die Kosten tatsächlich sind. Wir bei Rhomberg haben aktuell zwei Projekte am Laufen bei denen wir das Kostenrisiko mitführen. Das  schlägt sich am Ende auf die Marge nieder. Deshalb sind unsere Listenpreise aktuell nur für drei Monate gültig. Das ist dieser neuen, durch Krisen und Krieg verursachten, Situation geschuldet und auch für uns absolutes Neuland. Im Bauträgervertrag haben wir eine Preisgleitklausel inkludiert. Wenn die Indexierung in Summe 20 Prozent übersteigt (6 Monate vor der Schlüsselübergabe), dann würden wir die Kosten weitergeben. Kann sich der Käufer das nicht leisten, könnte er problemlos vom Vertrag zurück treten. 


Ein Blick in die Zukunft: Wie wird die Immobilien-Landschaft in Vorarlberg in zehn Jahren aussehen?

Summer: Ich glaube, hoffe, dass sich der Markt beruhigt. Ich denke, dass es eine Verlagerung von Eigentum hin zur Miete geben wird. Eventuell wird es Veränderungen bei den Nutzflächenzahlen geben. Die Nachverdichtung wird auch an Bedeutung gewinnen. Dort bräuchte es aber, meines Erachtens, eine zentrale Behörde. Die Verantwortlichkeit sollte dort nicht bei den Bürgermeistern liegen. Und: Ich bin optimistisch, dass wir auch diese aktuelle Krise durchtauchen werden. 

Kommentar zum Interview: Markus Berchtold

KLARE VISIONEN SIND NOTWENDIG 


Es geht uns gut. Aufgrund der hohen internationalen Nachfrage nach Immobilien, ist die Situation nur für einzelne Unternehmen der Immobilienbranche bedrohlich. Wichtig sind gute Beziehungen zu Investoren und Grundstückseigentümern. 


Damit bestätigt mit Martin Summer, ein weiterer Vertreter der Immobilienbranche, die hohe Bedeutung des Kapitalmarktes im Immobiliensektor in Vorarlberg. Damit wird auch die Notwendigkeit des Vertrauens in den Standort Vorarlberg betont. Die Weiterentwicklung der Befriedigung der Wohnbedürfnisse der Menschen oder der Schönheit unserer Städte und Dörfer, bleibt außen vor.


Die von der Politik immer wieder geforderte Ausweitung des Bauflächenangebotes, wird nicht unterstützt. Vielmehr wird die Verdichtung des Bestandes als wichtig angesehen. Kapitalanleger wollen Wohnungen in Mehrwohnanlagen, welche gut als Ware handelbar sind. Wie bereits Günter Welte (siehe letzte Ausgabe) betont, erhöht die Liquidität des Marktes deren Attraktivität.


Damit dies zu keinen größeren Auseinandersetzungen mit den Betroffenen führt – ich werde als VEV-Vorstand immer wieder auf den Umstand von betroffenen Nachbarn angesprochen – soll die Frage der Baudichte nicht im Rahmen der Verantwortung der Gemeinden geklärt werden, sondern eine neue landesweite (anonymen) Institution geschaffen werden. Die emotionale Qualität unserer Siedlungen, die Bindung der Menschen zur eigenen Wohnung, ginge verloren. 


Martin Summer zeigt mit großer Offenheit, wo wir stehen: es geht uns gut, wir machen so weiter. Leider erfordern die globalen klimatischen und politischen Veränderungen eine klare Strategie und Positionierung Vorarlbergs, welche über die Betrachtung des Kapitalmarktes hinausgehen. Wie reagieren wir auf den internationalen Immobilienmarkt? Wollen wir wirklich die Entwicklung der Städte und Gemeinden den Spekulanten opfern? Wie gehen wir mit dem Wandel hin zu einer Mietgesellschaft um? 


Angesichts der starken internationalen Kräfte ist es wichtig, die Partner auf lokaler Ebene zu stärken. Es ist notwendig, eine klare Vision für das Bauen und Wohnen im Land zu formulieren und robuste Rahmenbedingungen zu definieren. Das sichert das Vertrauen in den Standort – auch bei den Menschen im Land´. Und verhindert, dass die Schwächsten zurückgelassen werden: die „kleinen“ Mieter und Vermieter.


DI Mag. Markus Berchtold Ph.D.

VEV-Vorstandsmitglied, Inhaber von heimaten® – Ingenieurbüro für Raumplanung, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Raumplanung und Dorferneuerung.


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