
EU PLANT VERSCHÄRFUNG DER EFFIZIENZRICHTLINIEN VON GEBÄUDEN
Der Gebäudesektor verursacht europaweit fast 40 Prozent der gesamten CO2-Ausstöße und ist auch mit einem Anteil von rund 40 Prozent ein extrem großer Energieverbraucher. Um das große gemeinsame Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen – bis zum Jahr 2050 sollen die Netto-Null-Emissionen erreicht werden – spielt deshalb der Gebäudesektor, vor allem auch Bestandsbauten, eine immense Rolle. Würde die Energieeffizienz sämtlicher Gebäude gesteigert, würden gleichsam die Emissionen gesenkt werden. Die Nationen, die das Pariser Abkommen unterzeichneten, gehen auch davon aus, dass Renovierungen und Sanierungen im Baubestand zur Beseitigung von Energiearmut beitragen würden, die Auswirkungen von Energiepreisschwankungen verringert werden könnten und, dass eine Renovierungs- und Sanierungswelle zu wirtschaftlichen Vorteilen, konkret zu vielen Arbeitsplätzen, führen würde. Dazu wurde bereits im Oktober 2020 die Strategie für eine Renovierungswelle von der EU-Kommission veröffentlicht. Darin wird von einer Verdoppelung der Renovierungsquote bis 2030 gesprochen. Das beträfe EU-weit rund 35 Millionen Gebäude. Mit der Überarbeitung der Richtlinien über die Gesamteffizienz von Gebäuden (EPBD) wird laut Presseinformation der EU-Kommission „der bestehende Rechtsrahmen modernisiert, um ehrgeizigeren Zielen und dringenderen Erfordernissen in den Bereichen Klimaschutz und Soziales gerecht zu werden. [...]” Anders ausgedrückt werden hier die Rahmenbedingungen geschaffen, um verpflichtende Sanierungen bei bestehenden Gebäuden – auch bei klassischen Einfamilienhäusern – zu verankern. Bestehende Gebäude sollen bis 2030 so saniert werden, dass sie mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 D erreicht haben (siehe Kolumne Seite 16). Der verpflichtende Faktor höchst bedenklich, wenn nicht gar fahrlässig.
Energieeffizienzklassen
Die Energieeffizienzklassen werden mittels Energieausweis festgestellt. Bei Vermietung, Verpachtung und Verkauf muss dieser bereits jetzt verpflichtend vorhanden sein. Die Bringschuld und somit auch die Kosten liegen beim Eigentümer. Viele Häuser verfügen noch über gar keinen beziehungsweise über einen veralteten Energieausweis – er ist 10 Jahre gültig. Schon hier müssen Eigentümer mit bis zu 1.000 Euro oder mehr rechnen. Die Kosten für den Energieausweis können im Zusammenhang mit anderen Förderungen (zum Beispiel: Raus aus Öl) als Planungskosten berücksichtigt werden. Der Energieausweis alleine wird nicht gefördert. Und so sehen die Mindestvorgaben der verschärften Gebäudeeffizienzrichtlinien für die EU-Mitgliedstaaten aus:
Öffentliche Gebäude, Gebäudeteile, Unternehmen, Vereine etc.
- spätestens nach dem 1. Jänner 2027 Klasse F und
- nach dem 1. Jänner 2030 Klasse E
Wohngebäude und Gebäudeteile
- nach dem 1. Jänner 2030 Klasse F und
- nach dem 1. Jänner 2033 Klasse E
Zum Verständnis: Zur Kategorie A zählen Gebäude mit einem Verbrauch von 30 bis 50 kWh/m2. Das entspricht einem Niedrigstenergiehaus. Standard Neubauten fallen unter die Kategorie B – der Verbrauch liegt hier bei 50 bis 75 kWh/m2. Die zu erreichenden Kategorien E und F entsprechen bei Wohngebäuden einem Verbrauch von 130 bis 160 kWh/m2 beziehungsweise 160 bis 200 kWh/m2 und sind vergleichbar mit Wohnhäusern, die in den frühen 1980ern und danach errichtet wurden. Um die genaue Energieeffizienzklasse jedoch festzulegen, ist, wie bereits erwähnt, die Erstellung eines Energieausweises notwendig.
Sanierungsmaßnahmen
Sanierungsmaßnahmen würden für Gebäude, die in die schlechteste Energieeffizienzklasse F und G fallen, verpflichtend werden. Später auch für jene in der Klasse E. Das Klimaschutzministerium geht von österreichweit rund 70.000 betroffenen Gebäuden aus. Ein großer Anteil davon befindet sich im Besitz von privaten Eigentümern. Die Palette der Sanierungsmaßnahmen ist breit: Dämmung, Heizungstausch, Installation einer Solarthermie-Anlage, Fenstertausch, Installation einer Lüftungsanlage. Während manche Dämmungsmaßnahmen wie zum Beispiel das nachträgliche Dämmen der obersten Geschossdecke relativ kostengünstig und in vielen Fällen auch von den Hauseigentümern selbst durchgeführt werden können, sind Heizungstausch oder auch Fenstertausch im Gegensatz dazu kostspielige Investitionen. Die Kosten für solche notwendigen und eventuell zukünftig verpflichtenden Maßnahmen können sich von wenigen tausend bis in die hunderttausende Euro bewegen.
Besorgnis bei Eigentümern
Dass eine solche Pflicht mehr als Besorgnis bei Eigentümern von älteren Einfamilienhäusern hervorruft, ist verständlich. Wird einer Pflicht nicht nachgekommen, heißt das, es drohen Sanktionen – Strafen. Kommen die Verschärfungen haben Eigentümer zukünftig die Wahl: zu investieren, um die benötigte Effiizienklasse zu erreichen oder die möglichen Strafen (aktuell ist hier noch nichts Konkretes beschlossen) zu bezahlen. Egal, wie man es dreht und wendet: Viele Eigentümer werden viel Geld in die Hand nehmen müssen, um ihre Eigentumsimmobilie zu halten. Diejenigen, die das nicht können, werden (fast) zum Verkauf gezwungen sein. Die geplante Verschärfung der Richtlinienist könnte zum einen die PReise für notwendige Sanierungsmaßnahmen drastisch erhöhen (künstlich erhöhte Nachfrage). Gleichzeitg könnten die Preise für Immobilenverkäufe stark fallen. Da Eigentümer zum Verkauf gezwungen sein werden.
Fördern bis zum Geht-nicht-mehr
Sanierungsberatung, Sanierungsförderung, Sanierungsoffensive (läuft bis 2025, 1,9 Milliarden werden hier vom Bund zur Verfügung gestellt) – alles bereits existente Angebote von Bund und Land, die die Bürger unterstützen sollen und die Sanierungen an sich attraktiver machen und so das Ziel von Raus aus Öl und Gas und der Dekarbonisierung des Gebäudesektors realisierbarer machen sollen. Außerdem wurde im EU-Parlament begleitend zur EPBD beschlossen, Ausnahmeregelungen und weitere Förderprogramme müssen begleitend dazu errichtet werden. Wer wird das finanzieren? Es scheint: Fördern bis zum Geht-nicht-mehr ist die einzige Strategie, der Glauben geschenkt wird. Auf Tauglichkeit wird wenig gesetzt.
Das letzte Wort
Das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen. Und: Wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, überholt sich die Politik immer wieder selbst. Aktuell ist der Beschluss des EU-Parlaments über die EPBD noch nicht bindend. Es wird im EU-Rat über Anpassungen verhandelt. Kommt es hier zu einer Einigung und einem Beschluss, sind dann die EU-Mitgliedstaaten gefragt. Sie müssen in Folge über Umsetzungswege selbst entscheiden.
Die Sinnfrage
Klimaschutz, Dekarbonisierung und Co. sind von größter Wichtigkeit. Das Potenzial, das hierzu in Sachen Dekarbonisierung im Altbaubestand liegt, ist enorm. Das Bestreben der EU und deren Mitgliedsstaaten, dieses Potenzial zu nutzen – sprich den Altbau zu sanieren – ist an sich nichts Verwerfliches. Die Frage, die aber gestellt werden muss, ist: Gäbe es einen anderen Weg? Ist es in Zeiten der europaweiten Inflation und in Zeiten der Energiekrise, in Zeiten in denen die Lebensmittel für viele immer weniger leistbar werden das richtige Signal, wieder dem kleinen Eigentümer (letzendlich werden dies die Leidtragenden sein) noch mehr Kosten, noch mehr Pflichten aufzubürden? Wird dies dazu führen, dass viele Eigentümer sich durch die nicht zu erfüllenden Vorgaben und drohenden Sanktionen gezwungen sehen, ihr Eigentum zu verkaufen. Spielt diese Maßnahme letztlich nicht weiter den großen Investoren in die Hände. Ist das nicht ein weiterer Schritt, der das Eigentum verunmöglicht? Und: Wie viele Förderungen soll es noch geben? Es wäre an der Zeit, andere Lösungswege zu finden.
Die Haus & Grund wird dieses Thema weiterhin verfolgen und sich in den kommenden Ausgaben vertiefend damit auseinandersetzen. Sie möchten mehr über die Richtlinien erfahren?
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