
FÜNF EIGENTÜMER ERGEBEN EIN QUARTIER
Die Quartiere haben vor einigen Jahren in die Vorarlberger Baulandschaft Einzug gehalten. Quartiere bieten mehr als nur bloßen Wohnraum. Sie umfassen meist noch weitere Infrastruktur wie Kinderbetreuungsstätten, Geschäftsflächen, Nahversorger und werden als Einheit wahrgenommen. Der öffentliche Raum beginnt direkt vor der Wohnungstür. Das soll für Gemeinschaft sorgen – ein Dorf im Dorf. In Lustenau ist vor geraumer Zeit der Grundstein für das Quartier Rheindorf gelegt worden. Ein Projekt mit einer besonderen Entstehungsgeschichte.
Text: Ursula Fehle
2022 wurde der Grundstein gelegt. West- und Oststeitig der Bahnhofstraße L203 in Lustenau entsteht in zwei Bauetappen – aktuell läuft die Bauetappe West, Etappe Ost soll 2024 starten – auf 7000 m2 Fläche das Quartier Rheindorf. Als „attraktives Tor zum Kerngebiet” wurde es vom Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer bezeichnet. Das Außergewöhnliche am Rheindorf: Zum ersten Mal wurde innerhalb des Lustenauer Gemeindegebietes ein Projekt dieser Größenordnung von einem Projektentwickler (Rhomberg Bau GmbH) erarbeitet. Für die Umsetzung sind die Projektpartner Alpenländische Heimstätte gemeinnützige Wohnungsbau- und SiedlungsgesmbH (AGW) sowie die RB Lustenau Immobilien GmbhH & Co OG (Raiba) mit im Boot. Das Rheindorf wird nach Fertigstellung beider Bauetappen aus vier Baukörpern bestehen. Generalunternehmer Rhomber Bau errichtet westseitig der Bahnhofstraße für die AGW eine vierstöckige Wohnanlage (13 geförderte Mietwohnungen), für die Raiba ein achtstöckiges Gebäude in Holz-Hybrid-Bauweise mit Gewerbe- und Wohnenheiten. Auf der Ostseite folgen dann ein bis zu fünftstöckiges Gebäude für die AGW, ebenfalls mit Gewerbe und Wohneinheiten. Mietkauf sol hier möglich sein. Außerdem errichtet Rhomberg einen bis zu fünfstöckigen Baukörper mit rund 30 Eigentumswohnungen. So weit die Fakten zum Projekt.
Aus fünf mach eins
Insgesamt mussten hier die Interessen von fünf Eigentümern – Raiba, Krankenpflegeverein und drei Privatpersonen – für den Verkauf unter einen Hut gebracht werden. Projektentwickler Harald Hutter erinnert sich :„Das Projekt hat mit dem ehemaligen Gebäude der Raiba begonnen. Das wurde uns 2016 angeboten. Uns war aber klar, als Einzelgrundstück wird das für uns nicht funktionieren. Dann wurde schräg vis-a-vis ein kleines (130 m²) Grundstück, auf dem ein Kiosk stand, verkauft. Das Kioskgrundstück war aber umgeben von Einzelgrundstücken. Die Idee des Quartiers war da schon geboren.” Es galt deshalb für jeden Eigentümer eine überzeugende Lösung zu finden, die einen Verkauf attraktiv macht. Die Interessen der Raiba lagen unter anderem bei der aktiven Gestaltung der Gemeinde, die privaten Eigentümer, die unter anderem durch Mundpropaganda auf das Vorhaben aufmerksam wurden, legten Wert auf bestmögliche Verkaufspreise. Dem Krankenpflegeverein war Wohnraum sehr wichtig. Der Vorteil für den Bauträger liegt auf der Hand – kleinere Einzelgrundstücke erlauben nicht allzu viel Spielraum in der Bebauung. Werden aber fünf Grundstücke zu einem großen, können andere Dimensionen umgesetzt werden – auch in der Höhe. Der Vorteil für die privaten Eigentümer beruht vor allem in einer Aufwertung – besserer Verkaufspreis – des jeweiligen Einzelgrundstücks. „In den Verhandlungen mit den Eigentümern ging es darum, ein gutes und faires Ergebnis für alle zu finden. Für uns ist eine solche Situation auch nicht alltäglich. Es war eine Kunst alle, zur selben Zeit auf den gleichen Nenner zu bringen.”
© Rhomberg Bau
Die Chronologie des Rheindorfs
Von der Geburt der Idee bis zur Grundsteinlegung sind rund sechs Jahre vergangen. Mitte 2017 stand fest: Ein Quartier für die Bahnhofstraße. Im November 2017 wurde von Rhomberg Bau dazu eine städtebauliche Studie beauftragt. Die notwendigen Grundstücke waren zu diesem Zeitpunkt bereits großteils gesichert. Die Ergebnisse der Studie wurden mit der Gemeinde und dem Gestaltungsbeirat abgestimmt (durch den räumlichen Entwicklungsplan waren die Handlungsmöglichkeiten klar vorgegeben). Eine Bürgerbeteiligung gab es in diesem Fall nicht – die Gemeinde informierte aber über das Projekt. 2018 folgte die Ausschreibung für den Architekturwettbewerb. Die Lustenauer Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher erhielt den Zuschlag. Hutter berichtete von fast drei Jahren – 2019 bis 2022 – die das Bauverfahren benötigte. Projektgegner sorgten dafür. Im Herbst 2022 wurde dann der Grundstein gelegt.
Attraktive Option?
Für Eigentümer von Baugrundstücken kann also der Verkauf an einen Projektentwickler/Bauträger, einen höheren Verkaufspreis bringen. Ob das Quartier als Dorf im Dorf funktionieren wird, steht auf einem anderen Blatt. Im Papier „Innenentwicklung und bauliche Verdichtung – Beiträge zu Planungsstrategie” des Landes Vorarlbergs ist die Rede von maßvoller Verdichtung. Das Schlagwort dazu lautet, Qualität vor Quantität: Im Fokus von Verdichtungsmaßnahmen sollte der spürbare Mehrwert für die Bewohner stehen.
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