
Die neu veröffentlichte Planungshilfe Naturnahes Bauen soll begleitend bei Baumaßnahmen eingesetzt werden, um in allen Bauphasen einen einfachen Zugang zu ökologischen Grundsätzen zu haben. Durch die mitgelieferten Checklisten wird es den Projektbeteiligten vereinfacht von der Projektentwicklung über das Bauvorhaben bis hin zur Pflege und Wartung einen Überblick über verschiedenste ökologische Aspekte im Bauvorhaben zu behalten und ebendiese so umzusetzen, dass die Biodiversität am Standort miteinbezogen und gestärkt wird.
Grundsätze der Initiative
Die Broschüre baut auf vier Grundsätzen für naturnahes Bauen auf: Die Integration in die Landschaft, Potentiale zu erhalten und zu verbessern, den natürlichen Wasserhaushalt zu unterstützen und eine Vielfalt an Lebensräumen zu ermöglichen.
Die Integration in die Landschaft wird mit einem nahtlosen Übergang von Gelände und Gebäude in bestehende Natur- und Kulturlandschaftselemente abgedeckt. Durch eine ansprechende Gestaltung des Geländes werden Biotope in der Umgebung miteinander verbunden und ermöglichen einen Austausch und die Symbiose verschiedenster Tier- und Pflanzenarten.
Im Sinne der Potentialerhaltung werden Bestände auf dem Grundstück weitgehend erhalten und in die Planung integriert. Nicht nur Baumaterial kann durch eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ein zweites Leben erhalten, sondern auch Totholz kann zum Beispiel als Element in der Dachbegrünung verwendet werden und als Rückzugsraum für verschiedenste Lebewesen dienen.
Durch Bodenversiegelung werden große Flächen aus dem natürlichen Wasserhaushalt ausgeschlossen und während Starkregenfällen oder Trockenperioden macht sich dies bemerkbar. Dieses Thema wird durch die Gestaltung natürlicher Verdunstungs- und Versickerungsflächen für Regenwasser und Dach- und Fassadenbegrünungen aufgegriffen.
Um die Biodiversität zu erhalten, wird letztendlich auf die Synergien zwischen diversen Lebensräumen hingearbeitet. Natürliche und heimische Wiesen, kombiniert mit vogelfreundlichen Sträuchern und Hecken, sowie blühenden Baumstreifen bieten nicht nur Insekten und Vögeln ein abwechslungsreiches Biotop, sondern auch Entspannungsräume für uns Menschen.
Wegweiser durch das naturnahe Bauen
Durch die Broschüre leiten uns farblich kodierte Bauphasen samt zugehörigen Checklisten, um jeden einzelnen Bauabschnitt so ökologisch wie möglich auszuführen. Auch für ökologisch weniger versierte Personen ist es ein Leichtes, sich in der Broschüre zurechtzufinden und bei sensibleren Themen, wie zum Beispiel dem hypothetischen Auffinden einer bedrohten Tierart auf dem Gelände, wird auf die passenden Kontakte mit der entsprechenden Expertise hingewiesen. Grundsätzlich lässt sie sich so auch gut für kleinere Projekte, wie einer Garten-Neuplanung einsetzen und bietet eine hilfreiche Orientierung zur Gestaltung eines schönen und funktionalen Lebensraumes. Durch die einzelnen Kapitel wird mit Hilfe eines Beispiel-Bauprojekts geführt und wie verschiedene Umsetzungen aussehen können, wird anhand von Illustrationen ausführlich bebildert. Lobenswert ist auch, dass stets darauf geachtet wird nicht nur ökologisch das Sinnvollste zu tun, sondern durchaus auch der Blick des Bauherren auf das Projekt mit angedacht wird und so ein Maßnahmenkatalog entstanden ist, der sowohl hilft das ökologische Gleichgewicht wieder etwas gerade zu rücken, als auch eine lebenswerte Umwelt für uns zu schaffen.
© Land Vorarlberg/Abteilung Umweltschutz
Wie die Umsetzung aussehen könnte
So bietet zum Beispiel das Kapitel Rasen, Wiesen und Hochstauden einen einfachen Zugang zu einer naturverträglichen Gartengestaltung mit niedrigem Aufwand. Im Frühjahr bieten die typischen Rasenkräuter eine erste Nahrungsquelle für Insekten, im Sommer folgen Wiesenblumen und sorgen neben der Funktion als Bienenfutter zusätzlich für einen optischen Anreiz, während die übrigen Halme im Winter ein perfektes Versteck für Insekten und Spinnen bieten. Wiesen mit einer geringen Artenvielfalt können so in artenreiche Biotope umgewandelt werden, während Bodenversiegelung rückgängig gemacht und ein ausgeglichener Wasserhaushalt ermöglicht wird. Mit einem Verweis auf das Projekt Wiese aus dem Sack wird auch eine Bezugsquelle für regionales Saatgut genannt, um so ein Projekt umzusetzen.
Und nicht nur Neubauten, sondern auch bestehende Gebäude können auf dem Dach und an der Fassade begrünt werden, wie in den beiden Kapiteln zu diesen Themen aufgezeigt wird. Mit diesen Maßnahmen werden nicht nur Ersatzlebensräume für Tiere und Pflanzen in luftigen Höhen geschaffen, sondern auch der Mensch und das Gebäude profitieren von verbesserten thermischen Eigenschaften, dem Schutz vor Witterungsextremen und einem Kühlungseffekt im Sommer. Je nach Standort des Gebäudes und den Eigenschaften der bereits vorhandenen Substanz werden verschiedene Bepflanzungsmöglichkeiten vorgestellt, um ein sowohl baulich, als auch naturverträglich optimales Ergebnis zu erhalten. Auch steht ein Gründach einer Photovoltaik-Anlage nicht im Weg und die dafür zu prüfenden Voraussetzungen werden in der Broschüre ausführlich beschrieben.
Während in Betriebs- und Gewerbegebieten oftmals grüne Rasen und Asphaltflächen dominieren, können diese Gebiete mit ein paar der in der Broschüre genannten Maßnahmen nicht nur in Biotope für verschiedenste Lebewesen umgewandelt werden, sondern auch eine pflegeleichte Begrünung bieten, die sowohl Lärm und Hitze vermindert, als auch Singvögeln und Kleinsäugern einen geschützten Lebensraum bereitstellt. Durch das Pflanzen einer ökologisch intakten Heckenlandschaft aus heimischen Gehölzen in Kombination mit einer natürlichen Wiesenlandschaft entstehen so kleine Rückzugsorte für die Tierwelt, aber auch Erholungsräume für Menschen in diesen Gebieten.
Auch das Thema Beleuchtung und die damit einhergehende Lichtverschmutzung wird im Kapitel Tierfreundliches Bauen aufgegriffen. So können durch die Ideen in der Broschüre nicht nur Insekten und Vögel entlastet werden, sondern auch der Stromverbrauch kann durch zielgerichtete und ökologisch passende Beleuchtung vermindert werden. Auch kann der Einbau von Nisthilfen für verschiedene Vögel helfen Insektenprobleme in den Griff zu bekommen und ein ökologisches Gleichgewicht herzustellen.
Ein Anfang
Die Broschüre zeigt: nicht nur in Neubauten, sondern auch in kleineren Projekten steckt das Potential, unsere Umwelt jeden Tag etwas lebenswerter zu gestalten. Naturnahes Bauen bietet nicht nur eine Anleitung, wie dies vom Anfang bis zum Ende eines Bauprojekts, vom Neubau bis zur Sanierung, geschehen kann, sondern auch viel Inspiration, um für eventuelle zukünftige Projekte im Hinterkopf zu bleiben.
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