SCHULDENFALLE GROSSSANIERUNGEN IN WOHNANLAGEN


Häufig werden Wohnungen mit dem Hintergedanken erworben, dass nach der Abzahlung der Kredite und Förderungen außer den monatlich fälligen Betriebskosten keine weiteren Kosten entstehen. Ein Irrglaube, der leicht in eine Schuldenfalle führen kann.

Text: Dr. Mag. Karin Pascher

Fallbeispiel

Fallbeispiel

Fam. S. hat sich vor 10 Jahren eine 4-Zimmerwohnung in einer 40 Jahre alten Wohnanlage in Bludenz gekauft. Die Wohnanlage stand zuerst unter Selbstverwaltung und wurde anschließend von verschiedenen Hausverwaltungen betreut. In den Rücklagefonds wurde sehr wenig eingezahlt. Die Allgemeinflächen der Anlage wurden kaum gewartet, Sanierungsmaßnahmen wurden aus Spargründen immer wieder hinausgeschoben.

Nunmehr wurde den Wohnungseigentümern ein Sanierungskonzept vorgelegt, in dem zur notwendigen Erhaltung der Wohnanlage unter anderem folgende Maßnahmen ausgewiesen sind:


  • Sanierung des Daches
  • Sanierung der Terrassen
  • Einbau einer neuen Heizung
  • Einbau eines neuen Lifts
  • Einbau neuer Fenster
  • Teilsanierung der Tiefgarage
  • Korrektur der Absenkungen von Bodenplatten im Außenbereich


Kosten der Sanierungsmaßnahmen laut Sanierungskonzept: Mehr als 2 Millionen €! 

Da sich im Rücklagefonds lediglich knapp 25.000 € befinden, wurden die Wohnungseigentümer von der Hausverwaltung per Sondervorschreibung zur Zahlung ihres jeweiligen Kostenanteils nach Miteigentumsanteilen aufgefordert. Der Kostenanteil für Fam. S beläuft sich auf rund 80.000 €.

Neubauwohnungen

Insbesondere bei Neubauwohnungen wird häufig davon ausgegangen, dass innerhalb von 30 Jahren ab Einzug keine Sanierungen anstehen bzw. alle nach 30 Jahren anfallenden Sanierungsmaßnahmen automatisch durch den Rücklagefonds abgedeckt werden. 

Tatsächlich werden Sanierungen bzw. kostspielige Wartungsmaßnahmen in unterschiedlichem Ausmaß schon bei Wohnanlagen ab ca. 10 Jahren nötig (z.B. Fassadenreinigung oder neuer Anstrich). Dazu kommt, dass Baumängel nicht immer gegenüber dem Bauträger geltend gemacht werden oder geltend gemacht werden können, wenn dieser z.B. aufgrund einer Insolvenz nicht mehr existiert. Die entsprechenden Sanierungskosten für die Baumängel sind dann von der Eigentümergemeinschaft zu tragen. 


Gebrauchte Wohnungen

Sind Sie am Erwerb einer gebrauchten Wohnung interessiert, informieren Sie sich vor der Kaufentscheidung, wie hoch der Rücklagefonds der Eigentümergemeinschaft dotiert ist und welche Sanierungsmaßnahmen kurz- und mittelfristig anstehen! Ist ein Makler mit der Kaufabwicklung betraut, werden diese Informationen in der Regel durch diesen eingeholt. Dadurch können Sie klären, ob anstehende Sanierungsmaßnahmen aus dem Rücklagefonds gedeckt sind oder Sie mit zusätzlichen Kosten zum Kaufpreis zu rechnen haben.


Wie kann eine derart fatale Situation verhindert werden?

Dank einer Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2022 ist nunmehr ein Mindestbetrag für die monatliche Rücklagenzuführung durch die Wohnungseigentümer vorgeschrieben. Bis dahin war es leider in zahlreichen Wohnanlagen der Fall, dass keine angemessene Rücklage gebildet wurde. Die Wohnungseigentümer wollten sparen. Ein verständlicher Gedanke, der sich aber rächt, wenn größere Sanierungsmaßnahmen anstehen und durch die Hausverwaltung Sondervorschreibungen getätigt werden müssen, da keine ausreichende Kostendeckung über den Rücklagefonds vorliegt. Wir empfehlen daher Eigentümergemeinschaften, die bisher zu wenig angespart haben, sich auf eine höhere Rücklagenzuführung, als vom Wohnungseigentumsgesetz gefordert, zu einigen. Damit kann der Rücklagefonds schneller anwachsen.

Achten Sie darauf, dass notwendige und zweckmäßige Wartungsmaßnahmen durchgeführt bzw. von Ihrer Hausverwaltung veranlasst werden (z.B. Wartung des Daches, des Lifts, der Heizung oder des Garagentors). Regelmäßige Wartungen ersparen oft teure Sanierungsmaßnahmen oder zögern diese zeitlich hinaus.

Wenn größere Sanierungsmaßnahmen anstehen, achten Sie auf das Vorliegen eines Sanierungskonzepts durch einen Architekten, Baumeister, Generalunternehmer oder gerichtlich beeideten und zertifizierten Bausachverständigen. Aus diesem Konzept muss für Sie klar ersichtlich sein, welche Sanierungsmaßnahmen zur Erhaltung der Wohnanlage tatsächlich nötig sind, welche Maßnahmen lediglich eine nützliche Verbesserung darstellen, wie hoch die Kosten für die einzelnen Maßnahmen sein werden und ob diese sofort oder etwa erst mittelfristig notwendig sind.

Bezüglich der Finanzierung von Sanierungskosten, die nicht über den Rücklagefonds abgesichert sind, gibt es nicht nur die Möglichkeit der genannten Sondervorschreibung, sondern auch der Abwicklung über einen Kredit der Eigentümergemeinschaft.


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