LEERSTANDSABGABE

DIE POSITIONEN DER VORARLBERGER LANDTAGSKLUBS

Die Leerstandstudie (ein Ergebnis war, dass über 2.000 bezugsbereite Wohnungen in Vorarlberg leer stehen) ist nun schon ein paar Jahre her. Das Programm  „Sicher Vermieten“ hat sich seit damals etabliert. Die Haus & Grund hat den Vorarlberger Landtagsklubs Fragen rund um die Leerstandsabgabe gestellt.

Es steht wieder eine Leerstandsabgabe im Raum. Kann das die Lösung sein?


Harald Witwer, 
ÖVP

Einleitend ist aus unserer Sicht wichtig festzuhalten, dass wir die Schaffung von Wohneigentum ausdrücklich begrüßen. Auch deshalb ist es wichtig, dass leerstehende Wohnungen auf den Markt kommen. Um das zu erreichen, werden verschiedene Ideen geprüft. Eine davon ist die Leerstandsabgabe. Wir haben jedoch Zweifel, ob diese sinnvoll und zielführend ist, da sie gemäß einem Urteil des VfGH keine Lenkungswirkung haben darf.


Christoph Metzler, Die Grünen

Werden Grund und Boden (Versiegelung), Ressourcen an Baustoffen (graue Energie, CO2) und Fachkräfte zur Herstellung von ungenutztem oder unternutztem Wohnraum verbraucht, dann fehlen diese zur Abdeckung des Grundbedürfnisses Wohnen. Die Leerstandsabgabe ist hier ein wichtiges Instrument um gegenzusteuern.


Christoph Bitschi, FPÖ

Die Leerstandsmobilisierung ist eine der größten Herausforderungen, wenn es darum geht, leistbares Wohnen sicherzustellen. Eine Leerstandsabgabe, die eine weitere Belastung für den breiten Mittelstand bedeutet, ist aber sicher der falsche Weg


Martin Staudinger, SPÖ

Eine Leerstandsabgabe würde nicht alle Probleme lösen. Die Attraktivität für Investoren könnte aber verringert werden. Derzeit verdienen sie am Wertzuwachs durch die steigenden Preise von Wohnungen, ohne diese zu vermieten. In Tourismusgebieten würde das Problem der Zweitwohnungen damit entschärft, wo Wohnungen zwar hohe Infrastrukturkosten produzieren, aber lange nicht bewohnt sind.


Garry Thür, NEOS

Wir NEOS sind gegen die Einführung einer Leerstandsabgabe, weil die Abgabe nie so hoch sein kann, um Anreiz zur Mobilisierung zu schaffen, wir gegen zusätzliche Belastungen sind und ein hoher administrativer Aufwand insgesamt zu einem Ergebnis führt, dass das Kosten-/Nutzenverhältnis nicht gegeben ist. Wenn die Leerstandsabgabe zu gering ausgestaltet ist, wird sie von Eigentümer:innen schlichtweg bezahlt werden, wenn sie zu hoch angesetzt wird ist sie laut Verfassungsexpert:innen (u.a. Doralt) verfassungswidrig. Sie ist daher in jedem Ausmaß nicht zielführend.

Vielmehr wäre es notwendig, steuerliche Anreize und eine Flexibilisierung des Mietrechts umzusetzen, so dass die wesentlichen Barrieren für Wohnungseigentümer:innen ihre Wohnungen nicht zu vermieten, beseitigt werden.

Wie könnte eine funktionierende Leerstandsabgabe aussehen?


Witwer (ÖVP): Eine funktionierende Leerstandsabgabe sollte definitiv eine Lenkungswirkung haben und müsste jedenfalls Ausnahmen vorsehen, etwa als Vorsorge für die eigenen Kinder, für Wohnungen in schlechtem Bauzustand, abgelegene Gebiete ohne Nachfrage, untergenutzte Zweit- und Ferienwohnungen, um nur einige zu erwähnen. 

Metzler (Die Grünen): Grundsätzlich könnten Gebäudebesitzer durch eine sogenannte Eigenerklärung, nach Aufforderung durch die Städte und Gemeinden, erklären ob ihr Wohnungsbesitz mehr als die Hälfte des Jahres als Wohnsitz genutzt wird. Dieses System gibt es bereits, macht Sinn und funktioniert.

Bitschi, FPÖ: Anstatt den Mittelstand durch neue Abgaben immer noch weiter zu belasten, setzen wir uns vielmehr für die Umsetzung wirksamer Anreizmodelle ein, die für eine Mobilisierung des Leerstands sorgen.

Staudinger (SPÖ): Als Vorbild könnte das Gesetz der Steiermark gelten: Der Betrag orientiert sich dabei an der Größe der Wohnfläche. Für eine 100 m² große Wohnung beträgt die Leerstandsabgabe in der Steiermark künftig 1.000 Euro pro Jahr. Zusätzlich ist im neuen Gesetz auch eine Abgabe auf Zweitwohnsitze enthalten. Deren Höhe ist ident mit der Leerstandsabgabe.



Garry Thür, NEOS: Die Leerstandsabgabe ist kein zielführendes Instrument, so dass wir auch kein Modell dafür entwickelt haben.

Würde eine Leerstandsabgabe nicht zu einer weiteren Schwächung des Mittelstandes führen?



Witwer (ÖVP): Die dynamische Entwicklung der Preise für Wohnen und Immobilien stellt eine der größten finanziellen Herausforderungen für den Mittelstand dar. Wir sind eines der wenigen Bundesländer, in dem die Zahl der Eigentümer von Immobilien rückläufig ist. Unser Ziel bleibt: Eigentum für möglichst viele Vorarlberger zu ermöglichen. Das geplante Wohnpaket wird entsprechende Antworten liefern.

Metzler (Die Grünen): Bei der Nutzung von Leerstand fällt keine zusätzliche Abgabe an und führt somit zu keiner Schwächung, sondern zu einer anzustrebenden, sinnvollen Nutzung.

Bitschi (FPÖ): Eine Leerstandsabgabe bedeutet natürlich eine Schwächung des Mittelstandes. Zudem wird durch eine entsprechende Abgabe Eigentum immer mehr belastet und der Erwerb von Eigentum immer unattraktiver. Wir brauchen aber vielmehr Maßnahmen, die den Eigentumserwerb erleichtern und fördern.

Staudinger (SPÖ): Nein, denn es würden damit ja hauptsächlich Investoren zur Kasse gebeten, die meist nicht zum Mittelstand gehören.

Garry Thür, NEOS: Eine Leerstandsabgabe ist ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum und damit potentiell auch auf den MIttelstand. Wir lehnen zusätzliche Belastungen ohne Lenkungseffekte und ohne Entlastungen des Faktors Arbeit ab.

Haben wir den Zenit an Steuern und Abgaben nicht langsam erreicht? Die Bevölkerung ächzt unter Inflation und Preissteigerung und die einzigen Lösungsansätze, die die Politik bietet sind weitere Steuern/Abgaben. Wäre ein Belohnungssystem - Förderungen, Steuererleichterungen, Gesetzesanpassungen – nicht zielführender als weitere Abgaben zu implementieren?




Witwer (ÖVP): Das Projekt „Sicher vermieten“ ist eigentlich ein bereits bestehendes Fördersystem der öffentlichen Hand für Wohnungseigentümer. Der Staat übernimmt bei Vermietung meiner Immobilie alle Ausfallrisiken und kümmert sich sogar um einen Mieter! Wünschenswert wäre etwa für uns als Volkspartei die Befreiung von der Grunderwerbsteuer und Grundbuchseintragungsgebühr beim Ersterwerb eines Hauptwohnsitzes. 

Metzler (Die Grünen): Es gilt das Vorgesagte – kein Leerstand, keine zusätzliche Abgabe. Belohnungssysteme sollen vermehrt dort gesetzt werden, wo es um Sanierung, also der Leerstandsmobilisierung durch Umbaumaßnahmen, einen geringeren Energieverbrauch bzw. Reduktion des CO2 Ausstoßes, oder um Nachverdichtung geht.

Bitschi (FPÖ): Anreize und Förderungen statt neuer Belastungen und Abgaben. Genau das muss der Ansatz sein. Österreich ist ohnehin schon im negativen Abgaben-Spitzenfeld. Eigentum darf deshalb nicht zusätzlichen Zwängen oder Belastungen unterworfen werden, sondern die Schaffung von Eigentum muss gefördert und unterstützt werden.

Staudinger (SPÖ): Grundsätzlich sind Steuern und Abgaben gut. In Skandinavien sind die Steuern wesentlich höher und die Lebensqualität ist trotzdem besser. Allerdings werden in Österreich 80 % der Steuereinnahmen von Arbeitnehmern und Konsumenten erhoben, während Vermögenszuwächse nur bei 9 % liegen und keine Erbschaftssteuer eingehoben wird, die einen gewissen Umverteilungseffekt hätte, zumal die Leistung der Erben nicht erkennbar ist.  Die wichtigere Frage ist, wie diese Einnahmen verteilt werden.

Garry Thür, NEOS: Eine neue Steuer, was eine Leerstandsabgabe wäre, ist für die Mobilisierung am Wohnungsmarkt nicht der richtige Weg. Wichtiger wäre, leerstehende Wohnungen auf den Wohnungsmarkt zu bringen. Eine Möglichkeit dafür wäre, Einkünfte aus privater Vermietung steuerbegünstigt zu stellen. Umfragen wie jene vom IBW 2021 in Vorarlberg zeigen, dass viele Wohnungseigentümer:innen deshalb nicht vermieten, weil das Mietrecht zu kompliziert ist, sie sich nicht mit Mieter:innen ärgern wollen, die Mindestbefristung zu lang ist oder sie fürchten, Mieter:innen nicht mehr loszuwerden. Zudem bestehen die Bedenken, dass die Vermietung nicht ertragreich ist. Somit treten wir dafür ein, dass das Mietrecht flexibilisiert wird, um vermehrt Anreize zu schaffen, Wohnungen zu vermieten.

Noch einmal zurück zur Leerstandstudie. Die teilnehmenden Eigentümer:innen haben damals klar die Gründe für die Entscheidung zum Leerstand dargestellt (Angst vor Ärger mit Mieter:innen, zu kompliziertes Mietrecht, noch mehr Steuern). Wir bekämpfen aber lieber die Symptome (Leerstand), als dass die Ursachen (u.a. Mietrechtsgesetz) endlich angegangen werden. Das MRG ist zwar Bundessache, aber verstärkter Druck aus den Ländern könnte Einiges bewirken. Wann wird der Druck der Länder endlich größer? 


Witwer (ÖVP): Der Landtag hat sich zu dieser Frage immer wieder eindeutig geäußert, indem er vom Bund vehement eine Vereinfachung des Mietrechts gefordert hat. Die Vorarlberger Volkspartei könnte sich auch eine „Verländerung“ des Mietrechts vorstellen. Dann könnten wir im Landtag das Mietrecht eigenständig gestalten. Hilfreich wäre auch die Beschleunigung von Gerichtsverfahren.  Es kann nicht sein, dass Mieter, die nicht zahlen, oft erst nach mehr als einem Jahr ausziehen, weil die Verfahren derart lang dauern!

Metzler (Die Grünen): Das Mietrecht hat eine große Bedeutung für die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen. Mieter zahlen eine angemessene Miete und sollen dafür keiner Willkür ausgesetzt sein. „Sicher vermieten“ ist ein taugliches Instrument für Privatvermieter, die Arbeiterkammer und Mietervereinigung bietet Beratung für Mieter.


Bitschi (FPÖ): Wir Freiheitliche fordern seit Langem und setzen immer wieder Initiativen, dass die Bundesländer ein auf ihre Bedürfnisse angepasstes, attraktives Mietgesetz schaffen können. Das kann mithelfen, den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten und einem ständig weiteren Anstieg der Mietpreise entgegenzuwirken. Der Bund blockiert jedoch diese notwendigen Verbesserungen.

Staudinger (SPÖ): Wenn es darum geht, die Schutzbestimmungen im MRG aufzuheben, hoffen wir, dass der Druck aus den Ländern gering bleibt. Denn die noch teureren Wohnungskosten würden die Budgets der Länder für Wohnbeihilfen etc. noch zusätzlich steigern.

Garry Thür, NEOS: Zur Flexibilisierung des Mietrechts haben wir im Landtag entsprechende Anträge eingebracht und unterstützt (zuletzt im November 2021). Seither haben wir mehrmals den zuständigen LR Tittler darauf angesprochen, dass er den vom Landtag beauftragten Druck auf die Bundesregierung einbringt, was er auch versprochen hat. Ergebnisse dazu liegen uns bisher keine vor.

 Mehr Informationen

Die Leerstandsstudie wurde 2018 vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen durchgeführt, um die unterschiedlichen Formen des Wohnungsleerstandes in Vorarlberg zu identifizieren.

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