
TRADITION & MODERNE VEREINT:
LEHM ALS BAUSTOFF
Lange galt das Bauen mit Lehm als Relikt vergangener Zeiten. Vor allem im Osten Österreichs lässt sich auf eine reichhaltige Lehmbaukultur zurückblicken. Der Großteil der Lehmbauten, die im Weinviertel und im südlichen Burgenland heute noch stehen, wurden um das 19. Jahrhundert gebaut. Im Zuge der Industrialisierung wurde der Lehmbau nach und nach durch gebrannte Ziegel ersetzt und diese Bauform geriet langsam in Vergessenheit. In den 1980er-Jahren wurde Lehm in alternativen Kreisen wiederentdeckt, um ökologische Alternativen zu herkömmlichen Baumaterialen zu bieten und auch gestalterisch Akzente zu setzen. Mittlerweile ist der Lehmbau danke neuer Verarbeitungstechniken eine gefragte Möglichkeit, um sowohl ein gesundes Raumklima herzustellen, als auch ressourcensparend zu wirtschaften.
Ursprünge des Lehmbauens
Lehm gehört zu den ältesten Baustoffen der Menschheitsgeschichte. Bereits vor über 10.000 Jahren nutzten Menschen Lehm zum Bau ihrer Behausungen. Archäologische Funde belegen, dass Lehmhäuser in Mesopotamien, dem heutigen Irak, zu den ersten dauerhaft bewohnten Gebäuden zählten. Auch in anderen Teilen der Welt, von Afrika über Asien bis Europa, fand Lehm als Baumaterial breite Anwendung. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurde Lehm insbesondere in ländlichen Gebieten Europas weit verbreitet. Die Technik des Fachwerkbaus, bei der Holzrahmen mit einem Geflecht aus Weidenruten und einer Lehmmischung gefüllt wurden, war in vielen Regionen populär. Diese Bauweise kombinierte die Vorteile von Holz und Lehm: Stabilität, Wärmedämmung und einfache Reparaturmöglichkeiten.
Moderne Wiederentdeckung
Im 20. Jahrhundert geriet Lehm als Baustoff zunächst in Vergessenheit, da industriell gefertigte Materialien wie Zement und Beton in den Vordergrund traten. Doch seit den 1980er Jahren erlebt Lehm eine Wiederentdeckung, vor allem im Kontext des ökologischen Bauens. Seine Umweltfreundlichkeit, die guten baubiologischen Eigenschaften und die Möglichkeit, regionale Ressourcen zu nutzen, machen ihn heute wieder attraktiv.
Was Lehm so besonders macht
Da Lehm auf natürliche Weise aus den Materialien Sand, Schluff und Ton entsteht, gehört dieser zu den mineralischen Baustoffen und ist weltweit zu finden. Durch die Verwitterung von Gestein entstehen diese Restprodukte und bilden sich im Laufe der Zeit zu dem Lehm aus, den wir auch als Baustoff verwenden. Alleine durch diese Tatsache ist die Umweltbelastung durch Beschaffung und Transportwege meist um ein Vielfaches geringer als bei industriellen Baumaterialien. Eine weitere Besonderheit ist die Diffusionsoffenheit von Lehm. Das bedeutet, dass Lehm Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft sowohl abgeben als auch aufnehmen kann. So trägt dieser auf natürliche Weise einem gesunden Raumklima bei. Diese Eigenschaft kann allerdings auch nachteilig werden, vor allem wenn die Umgebungsfeuchte zu stark schwankt oder die Temperaturen in Außenbereichen zu niedrig werden. Ebenso ist Lehm als Baustoff ein sehr guter Wärmespeicher, weshalb Innenräume im Sommer angenehm kühl und im Winter wohlig warm bleiben; ein weiteres Argument für nachhaltigen Lehmbau.
Kein Vorteil ohne Nachteil
Neben all den hervorragenden Eigenschaften hat Lehm als Baustoff einen entscheidenden Nachteil. Als Naturprodukt ist Lehm grundsätzlich schwieriger zu verarbeiten, weshalb für Bauprojekte oftmals spezialisierte Handwerker hinzugezogen werden müssen. Auch eine Schwankungsbreite in der Zusammensetzung des verarbeiteten Lehms treibt die Kosten in die Höhe. Verschiedene Anbieter gehen von zusätzlichen Mehrkosten in Höhe von 10 bis 20 % gegenüber herkömmlichen Baumaterialien aus.
Welche Lehmbaustoffe gibt es?
Lehmbaustoffe umfassen verschiedene Materialien und Bauweisen, die alle auf der Verwendung von Lehm basieren und durch ihre ökologischen Vorteile sowie ihre Fähigkeit zur Verbesserung des Raumklimas hervorstechen. Stampflehm wird durch Verdichten von Lehm in Schichten hergestellt und ergibt massive, ästhetische Wände. Lehmdämmung kombiniert Lehm mit leichten Zuschlagstoffen, um energieeffiziente Dämmmaterialien zu schaffen. Lehmbausteine und Lehmziegel bestehen aus einer Mischung von Lehm, Sand und natürlichen Fasern; sie sind vielseitig einsetzbar und bieten gute Wärmespeicherung. Lehmbauplatten eignen sich besonders für den Innenausbau, während Lehmputz und Lehmfarbe für eine gesunde und ästhetisch ansprechende Wandgestaltung sorgen. All diese Lehmbaustoffe haben vor allem gemeinsam, dass sie zu einem gesunden Raumklima beitragen.
Synergien im nachhaltigen Bau
Ein großer Vorteil von ökologischen Baustoffen ist ihre hervorragende Kombinierbarkeit. Durch die gezielte Verwendung verschiedener Materialien lassen sich deren positive Eigenschaften oft verstärken. Besonders hervorzuheben sind die Kombinationen von Lehm mit Holz, Stroh und Kork. Diese Materialien ergänzen sich nicht nur optimal, sondern tragen auch erheblich zur Schaffung eines gesunden und nachhaltigen Wohnumfelds bei.
Die Kombination von Lehm und Holz ist besonders vorteilhaft. Lehm schützt das Holz vor Feuchtigkeit, verhindert Verrottung und die Bildung von Schimmelpilzen. Diese Synergie ermöglicht die Schaffung eines stabilen und gesunden Raumklimas. In einem Haus, das in Holz-Lehm-Bauweise errichtet wurde, profitieren die Bewohner von einer angenehmen Wärmespeicherung im Winter und einem kühlenden Effekt im Sommer. Lehm und Stroh bilden eine weitere erfolgreiche Kombination, insbesondere im Bereich der Dämmung. Strohballen, die mit Lehm verputzt werden, bieten eine effektive und feuerbeständige Dämmung. Diese Technik wird häufig bei der Sanierung von denkmalgeschützten Fachwerkhäusern und Altbauten eingesetzt, eignet sich aber ebenso gut für Neubauprojekte. Die Verbindung von Lehm und Kork stellt einen erstklassigen Dämmstoff dar, der vornehmlich bei der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude verwendet wird. Beide Materialien sind diffusionsoffen, was eine gute Luftzirkulation und optimalen Feuchtigkeitsausgleich gewährleistet. Kork als Dämmstoff ergänzt die natürlichen Eigenschaften des Lehms und bietet zusätzliche thermische Isolation sowie akustischen Schutz.
Mit Lehm in die Zukunft
Lehm als Baustoff bietet zahlreiche Vorteile für nachhaltiges und gesundes Bauen. Seine Geschichte zeigt, dass traditionelle Techniken und moderne Ansprüche keine Gegensätze sein müssen. Haus- und Wohnungsbesitzer, die auf ökologisches Bauen und ein gesundes Raumklima Wert legen, finden im Lehm einen vielseitigen und bewährten Baustoff. Ob als Putz, Wand oder Ziegel – Lehm vereint Tradition und Moderne auf ideale Weise.
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