
„Schaffa, schaffa, Hüsle baua” – was viele Jahrzehnte lang gelebtes Vorarlberger Leistungsversprechen war, bleibt für viele junge Menschen dieser Tage unerreichbarer Traum. Inflation, Teuerung, Zinserhöhung, neue Kreditvergaberichtlinien, Energiekrise und ein dynamischer Wohnungs- und Immobilienmarkt, dessen Preise in schwindelerregende Höhen geklettert sind, haben den Traum vom Eigenheim für viele Vorarlberger zunichte gemacht. Zumindest dann, wenn die Familie nicht unterstützen kann (oder will) – und/oder kein überdurchschnittlich gut bezahlter Top-Job winkt.
Und tatsächlich: Die oben beschriebenen negativen Vorzeichen zeigen bereits Wirkung. Demnach sind Immobilienkredite in Vorarlberg um ein Drittel zurückgegangen, wie es von Seiten der Sparkasse Dornbirn heißt. Die Unsicherheit sei vor allem aufgrund der neuen Kreditvergaberichtlinien, die seit dem 1. August 2022 in Kraft sind, deutlich zu spüren, wie Haus & Grund in Ausgabe 4/22 berichtete. Demnach müssen mindestens 20 Prozent der Kreditsumme an Eigenmitteln aufgebracht werden, die monatliche Rate darf 40 Prozent des Netto-Haushaltseinkommens und die maximale Laufzeit 35 Jahre nicht überschreiten. Für viele junge Vorarlberger eine unüberwindbare Hürde. Was also tun, wenn die Option auf einen regulären Wohnbaukredit deshalb nicht (mehr) greifbar ist? Haus & Grund hat sich vier Alternativen angesehen, die Eigentum unter den geänderten Vorzeichen trotzdem möglich machen.
Option 1: Alternative Finanzierungsmodell
Mietkauf war über viele Jahre hinweg ein probates Mittel für den Eigentumserwerb – allen voran für junge Menschen am Anfang ihrer beruflichen Karriere. Das Prinzip ist so einfach wie sinnvoll: Dem Mieter wird mittels Anzahlung das Recht eingeräumt, das Objekt nach einem bestimmten Zeitraum zu einem zu Mietbeginn definierten Preis zu kaufen. Die zuvor geleistete Miete wird zu einem Teil dem Kaufpreis angerechnet. Die Mietdauer beträgt in der Regel fünf bis zehn Jahre. So zumindest die Theorie. In der Praxis spielt der Mietkauf in Vorarlberg aktuell nur eine untergeordnete Rolle. Auf laendleimmo.at wurde Stand Mitte Oktober kein einziges Mietkauf-Objekt angeboten. Das liegt auch daran, dass es sich bei Mietkauf-Objekten in aller Regel (und wenig überraschend) um öffentlich geförderte Wohnbauprojekte ohne Renditenabsicht handelt. Mietkauf-Interessenten wenden sich also beispielsweise an die Vogewosi, an die Alpenländische oder an die Wohnbauselbsthilfe. Aber auch der eine oder andere private Bauträger bietet alternative Finanzierungsmodelle. RIVA Home ist so einer, der neben der Sofortkauf-Option auch ein Stufenmodell ähnlich eines Mietkaufs möglich macht.
Option 2: Mehrgenerationenhaus
Es ist ein altbewährtes, wenn auch für lange Zeit verdrängtes Wohnkonzept: Leben in einem Mehrgenerationenhaus. Ein Wohnkonzept, das in den vergangenen zehn Jahren ein Revival gefeiert hat. Das Prinzip ist denkbar einfach und orientiert sich beim Wohnraum-Bedarf an der jeweiligen Lebensrealität der Menschen. Während das Einfamilienhaus und der damit einhergehende Wohnraumbedarf vor allem auf Familien mit Kindern zugeschnitten ist, wird der einstige Wohntraum für viele Menschen im Alter finanziell aufwändig im Erhalt – und körperlich aufwendig in der Pflege. Das Mehrgenerationenhaus kann hier mit vielen Vorteile überzeugen: Sanierungsbedarf und arbeitsintensive Tätigkeiten werden auf mehrere Köpfe verteilt, bereits bestehender Wohnraum wird ideal genutzt und auf die jeweiligen Lebensumstände Rücksicht genommen, Synergienutzung bei Kinderbetreuung, Einkauf sowie Gemeinschaftsflächen wie dem Garten – und, last but not least: deutlich geringere Kosten für alle Beteiligten.
Klar ist aber auch: Abseits der vielen Vorteile kommt das Mehrgenerationenhaus auch mit Herausforderungen. Das Zusammenwohnen kann für alle Beteiligten zur Belastungsprobe werden – vor allem dann, wenn definierte Wohnraumgrenzen verschwimmen.
Option 3: Eigentumserwerb im Familienverband oder Freundeskreis
Das Einfamilienhaus auf der grünen Wiese ist alleine nicht finanzierbar? Größer denken – etwa in Form des Eigentumserwerbs im Familienverband und/oder mit Freunden. Das reduziert die Kosten pro Kopf und der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Wohnraum in Form eines Doppelhauses, einer kleinen Reihenhausanlage – oder gar in Form eines ganzen Wohnblocks mit Gemeinschaftsflächen: (fast) alles ist denk- und umsetzbar. Ähnlich wie beim Mehrgenerationenhaus gilt aber auch hier: Kein Vorteil ohne Herausforderung. Das Zusammenleben auf engem Raum kann auch hier zu Konflikten führen. Ein harmonisches Miteinander der jeweiligen Wohnparteien sollte also Grundvoraussetzung sein, um ein entsprechendes Wohnkonzept in Angriff zu nehmen.
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Option 4: Raumbedarf reduzieren
Es muss Eigentum sein – aber die oben genannten Optionen kommen nicht in Frage? Dann gibt es de facto nur noch eine Alternative: Raumbedarf reduzieren. Tatsächlich hängt die Teuerung im Bereich Wohnen auch mit den eklatant gestiegenen Ansprüchen an den Pro-Kopf-Wohnraumbedarf zusammen. Ein Beispiel? Die Zahl der Privathaushalte hat sich in den vergangenen 30 Jahren um knapp 44 Prozent auf österreichweit mehr als vier Millionen erhöht – bei einem Bevölkerungswachstum von gerade einmal 17 Prozent. Zurückzuführen ist das auf das starke Wachstum an Single-Haushalten, das sich im selben Zeitraum von knapp 750.000 auf nun mehr als 1,5 Millionen verdoppelt hat. Weniger Raumbedarf als Lösung für die Teuerung? Was auf den ersten Blick zynisch klingt, ist bereits gelebte Realität im Mehrparteien-Wohnhaus – und mit der Tiny-House-Bewegung einer der bedeutendsten internationalen Wohn-Trends der Zukunft. Diesbezügliche Untersuchungen zeigen, dass durchdachte Tiny-House-Konzepte den Wohnkomfort erhöhen. Mehr Platz = mehr Komfort = mehr Wohnqualität? Demnach ein Irrglaube.
Klar ist: Der Traum vom Einfamilienhaus auf der grünen Wiese ist für viele Menschen auch langfristig ausgeträumt – sogar eine Eigentumswohnung ist ohne Unterstützung der Familie für viele Durchschnittsverdiener kaum mehr finanzierbar. Damit Eigentum abseits von diesen einstigen Idealen weiterhin möglich ist, braucht es einerseits alternative Wohnkonzepte – und andererseits Rahmenbedingungen von Seiten der Politik, die Eigentum über Umwege nicht einfach nur weiterhin möglich machen, sondern aktiv fördern.
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