KEINE ANGST VOR DEM BLACKOUT


Herbert Knünz, Geschäftsführer Zivilschutzverband Vorarlberg, setzt sich beruflich mit Ausnahmesituationen wie zum Beispiel einem Blackout auseinander. Dass Panik nichts bringt und Vorbereitung das beste Mittel dagegen ist, erklärt er im Gespräch mit Haus & Grund.

Interview: Ursula Fehle 

Zuerst zum Zivilschutzverband an sich. Wofür ist der Zivilschutzverband verantwortlich, worin bestehen seine Aufgaben?

Knünz: Der Zivilschutzverband ist als Verein organisiert. Mitglieder sind die Gemeinden und das Land. Unsere Aufgabe ist die Information der Bevölkerung zu Themen des Zivil- und Selbstschutzes. Anders als in der Schweiz, sind wir keine Einsatzorganisation. Bei uns geht es rein um die Information. Wir bieten Anleitungen, wie sich die Bevölkerung vorbereiten und verhalten kann. Wir sind jedoch nicht für alle Gefahrensituationen zuständig. Sicheres Vorarlberg deckt hier vieles ab. Unser Fokus liegt deshalb darin Bürger und Gemeinden in der Katastrophenschutzplanung zu unterstützen. 


Seit Corona scheinen wir in einer permanenten Krise zu leben. Wirkt sich das auch auf die Arbeit des Zivilschutzverbandes aus?

Knünz: Ja. Genau in solchen Situationen wird die Bevölkerung sensibilisiert. Wir merken das an der Zahl der gestiegenen Anfragen. Themen wie Schutzraum und Bevorratung kommen häufig auf. Der Krieg in der Ukraine hat nochmal für mehr Anfragen gesorgt. Unsere Aufgabe besteht aber immer – unabhängig von Krisenzeiten – in der Information der Bevölkerung. Wir möchten dazu animieren, sich früh genug auf mögliche Extremsituationen vorzubereiten. Nicht erst dann, wenn die Katastrophe eintritt. Oft habe ich das Gefühl, der Hausverstand ist verloren gegangen. Wir wiegen uns zu sehr in Sicherheit. Seitens der Politik wurde in der Vergangenheit stark propagiert, es wäre alles in Ordnung. Man müsse nur den Notruf wählen und alles würde gut. Aber so ist das nicht immer. Ich kann und muss mitdenken und mich vorbereiten. Dafür muss Bewusstsein geschaffen werden. Wer unvorbereitet in eine Krisensituation kommt, wird wahrscheinlich damit überfordert sein. Setze ich mich im Vorfeld damit auseinander, kann ich der Situation anders, entspannter entgegentreten.

Jeder kann und soll sich auf ein Blackout vorbereiten.


Herbert Knünz

Blackout – der Begriff ist kein neuer und geistert seit langem herum. Lokale/regionale Ausfälle in der Stromversorgung gibt es immer wieder (in Österreich sehr selten), diese dauern meistens nur wenige Minuten. Was wir aber alle fürchten ist ein europaweites Blackout. Am 8. Jänner 2021 war es fast so weit.  Was war der Grund dafür? 

Knünz: Die Grundproblematik der europaweiten Stromversorgung ist, dass durch die Ökologisierung des Stromnetzes (Windenergie und Solarenergie und Co.) häufig ein Ungleichgewicht zwischen Stromangebot und Stromnachfrage herrscht. Ein Beispiel: An einem schönen Sommertag habe ich ein großes Überangebot an Strom. An einem dunklen Wintertag habe ich viel zu wenig. Die gesamte Netzfrequenz sollte aber stets im Gleichgewicht bleiben. Diese Ungleichheiten und dieses Ungleichgewicht müssen ständig ausgeglichen werden. Dafür wird Strom durch ganz Europa geschickt – quasi von Hamburg ins Montafon. Das belastet die Stromleitungen extrem. Die Vorgabe für die Netzbetreiber ist, dass ein Leitungsnetz ausfallen kann und die anderen Leitungen dieses Ausfalls kompensieren können. Oft waren wir aber schon sehr knapp an dieser Leistungsgrenze. Wenn dann eine Überlastung eintritt, kommt es zu einem Kaskadeneffekt und weitere Leitungen fallen aus. Das wäre dann das Blackout. In Österreich muss an mehr als 300 Tagen im Jahr regulierend in das Netz eingegriffen werden, damit es stabilisiert wird. Hier sieht man wie kritisch die Situation ständig ist.


Es heißt oft, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis es ein Blackout geben wird. Was meinen Sie dazu?

Knünz: Ja, dem ist so. Experten rechnen innerhalb der kommenden fünf Jahre damit. Grundsätzlich kann es jederzeit sein. 


Wie können wir uns das vorstellen? 

Knünz: Es wird dunkel. Aber nicht nur das. Alles, was Strom benötigt, um in Betrieb zu sein, fällt aus. Kein Licht, kein Strom. Das kann auch bedeuten keine Heizung. Das Einkaufen wird schwer bis unmöglich. Die Bankomaten funktionieren nicht. Deshalb sollte man Bargeld in kleinen Scheinen zuhause haben. Du bekommst keinen Sprit mehr. Die Kommunikationsmöglichkeiten werden bald ausfallen – das Handynetz wird circa noch 30 Minuten aufrechterhalten werden und dann ausfallen. Das Aufladen von elektronischen Geräten wird nicht mehr möglich sein. Tunnelanlagen (Lüftungen) werden ein Problem bekommen. Liftanlagen werden stoppen. Es wäre eine umfassende Geschichte. Ein Blackout ist viel mehr als nur dunkel. 


Das Blackout ist da – wann wird es wieder Strom geben? 

Knünz: Wenn wir von einem Blackout ausgehen, dessen Ursache in einer Netzüberlastung liegt, dann wird Strom schnell wieder verfügbar sein. Relativ schnell heißt, bis zu einer Woche bis alles wieder funktioniert. Im Roman Blackout (Blackout - Morgen ist es zu spät, Marc Elsberg, Blanvalet Verlag 2012) löst eine Cyberattacke das Blackout aus. In solch einem Fall müsste zuerst die Ursache gefunden werden. Wir gehen jetzt aber vom ersten Fall – Netzüberlastung – aus. So oder so geht es in einem ersten Schritt um die Ursachenfindung. Die Vorarlberger Kraftwerke (VKW) können im Normalfall das Netz innerhalb eines Tages wieder aufbauen. In dieser Sondersituation würde ich von maximal drei Tagen ausgehen. Dort gäbe es die Möglichkeit, dass sich Vorarlberg vom europäischen Netzt trennt und abschottet und einen sogenannten Inselbetrieb startet. Die VKW müsste alle Verbraucher vom Netz nehmen. Die Illwerke könnten dann über schwarzstartfähige Kraftwerke, das bedeute, hier kann von null weg Strom erzeugt werden, langsam die Stromproduktion anfahren. Parallel dazu würden die Illwerke über andere Leitungen und Kraftwerke versuchen, das europäische Netz wieder auf die Beine zu stellen. Der Wiederaufbau des Netzes funktioniert nur schrittweise. Sonst wäre ein weiterer Zusammenbruch des Systems möglich.

Herbert Knünz

Geschäftsführer Zivilschutzverband Vorarlberg

Der Vorarlberger Zivilschutzverband möchte die Möglichkeiten der Notstromversorgung und Alternativen von Haushalten aufzeigen und Sie dabei unterstützen und individuell beraten. 

Wie gut ist Vorarlberg – Gemeinden, Land, Bevölkerung, Institutionen – darauf vorbereitet?

Knünz: Die Energieversorger haben hier alles Erdenkliche gemacht, damit möglichst rasch wieder Strom erzeugt werden kann. Wir sind in der glücklichen Situation im Land, direkt Strom erzeugen zu können. Auf Dauer könnten wir damit aber nicht den Gesamtbedarf des Landes decken. Die Energieversorger sind, wie gesagt, alle gut vorbereitet. Aber: In den Gemeinden, in den Haushalten, in Institutionen, bei den Landwirten und Co., da müssen noch Hausaufgaben gemacht werden. Die Gemeinden arbeiten aktuell zwar an Blackout-Notfallplänen, sie sind aber noch nicht alle umgesetzt. In der Steiermark gibt es in den Gemeinden sogenannte Leuchttürme. Das sind Orte, die im Extremfall als erste Anlaufstelle dienen und an denen auch eine Stromversorgung gesichert ist. Diese sind auch in vielen Vorarlberger Gemeinden geplant. Aber eben noch nicht in Umsetzung.


Was kann jeder Haushalt tun? Wie kann sich jeder Einzelne vorbereiten?

Knünz: Sich mit dem Thema beschäftigen. Sich in der Verantwortung sehen. Das ist der wichtigste Schritt. Wir haben eine Checkliste (Blackouterhebungsbogen) erstellt (siehe QR Code) die jeder für sich ausfüllen und so seinen individuellen Bedarf ermitteln kann. Einfach überlegen, wie könnte ich kochen, wenn kein Herd funktioniert? Wie kann ich heizen? Welche Vorräte sollte ich im Haus haben? Was tue ich, wenn Kühlschrank und Tiefkühltruhe ausfallen? Womit könnte ich Licht machen? Aber auch – gerade bei Smart Homes – wie komme ich ins Haus, wenn der Strom ausfällt? Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist ein Thema. Es kann sein, dass die Entkeimungsanlagen ausfallen. Auch überlegen bzw. vereinbaren mit der Familie, den Kindern und Verwandten was man tut, wenn der Ernstfall eintritt und die Kommunikation ausfällt. Treffpunkte vereinbaren. Eventuell auch mit Verwandten vereinbaren, dass in dieser Zeit bei ihnen Unterschlupf gefunden wird, wenn dort zum Beispiel eine Heizmöglichkeit ohne Strom vorhanden ist. Genau überlegen, was betrifft mich und welche Probleme muss ich lösen. Sich so vorbereiten, dass eine Woche ohne Strom und ohne Einkäufe gut ausgekommen werden kann. Überlegen, was brauchen wir für eine Woche. Was wir vom Zivilschutzverband nicht wollen, ist Panik machen. Wir wollen Bewusstsein schaffen. Ich habe bei Projekten in Albanien mitgearbeitet. Dort sind Stromausfälle fast an der Tagesordnung. Die Leute sind dort gut vorbereitet und gehen damit locker um.


Notstromaggregat für Zuhause – eine Option?

Knünz: Auch hier gilt: Überlegen, was brauche ich wirklich. Unsere Checkliste hilft dabei die Bedürfnisse im Notfall zu evaluieren und anhand dessen können wir individuelle Handlungsempfehlungen aussprechen. In manchen Fällen wird ein kleiner Gaskocher reichen, andere sehen ein Aggregat als notwendig. Ist ein Notstromaggregat notwendig, wäre dann der Elektriker der richtige Ansprechpartner. Die Kosten hängen hier von der gewählten Lösung, aber auch den Bedingungen (Elektroschrank alt oder neu) vor Ort ab. Je mehr Aufgaben das Aggregat erfüllen und je automatisierter alles sein soll, umso teurer wird es. Die Wartung darf nicht vergessen werden. Treibstoffvorräte müssen gelagert werden. Da geht es auch um ein Abwägen, was brauche ich wirklich. 


Was sollten die Leute auf keinen Fall tun, wenn es so weit ist?

Knünz: In Panik verfallen. Das wird sicher schwierig, wenn die Kommunikation ausfällt. Aber, ich wiederhole, wer sich eine Vorgehensweise überlegt hat und diese auch in der Familie besprochen hat, wird nicht in Panik ausbrechen müssen. Was ratsam wäre – aktiv Nachbarschaftshilfe betreiben. Schauen, wie geht es den Leuten, kann ich ihnen helfen. 


Es sind also keine Horrorszenarien zu erwarten? 

Knünz: Nein, das glaube ich nicht. Wir sehen jetzt mit dem Krieg in der Ukraine, wie Menschen in der Krise zusammenhalten. Ich denke, das würde beim Blackout genau so sein.

Mehr dazu:

Weitere Informationen, wie man sich auf den Ernstfall vorbereiten kann, gibt es auf der Website des Vorarlberger Zivilschutzverbandes. 

Blackout – wenn der Strom nicht mehr fließt

Unsere Welt steht unter Strom  –  Tag und Nacht. Wir verlassen uns darauf, dass die Waschmaschine läuft, wenn wir möchten, die Lichter angehen, wenn wir sie einschalten und der Computer läuft, wenn wir arbeiten sollen. Das Ausmaß der Strom-Abhängigkeit ist uns gar nicht bewusst. Was, wenn der Strom plötzlich weg ist?

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