
Herr Prof. Weber, Sie haben die Leerstands- und Zweitwohnsitzabgabe auf verfassungsrechtliche Aspekte geprüft. Zu welchem Ergebnis sind Sie hierbei gekommen?
Weber: Nach der aktuellen Verfassungslage – wohlgemerkt, die wird sich wohl im Herbst ändern – darf aus kompetenzrechtlichen Gründen keine sehr hohe Abgabe verlangt werden, sonst wären wir da juristisch im Volkswohnungswesen drinnen, das wäre dann Bundessache. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das jedoch nicht genau definiert, was er unter einer sehr hohen Abgabe versteht. Er hat einmal eine Wiener Regelung aufgehoben, die einen Lenkungseffekt gehabt hätte. Die derzeitigen Abgaben der Bundesländer sind eher symbolisch und sollen angeblich den Wohnungsmarkt mobilisieren. Sie sind jedoch mehr oder minder Belästigungsabgaben.
Passiert die Mobilisierung denn?
Weber: Eine solche Leerstandsabgabe ist zweifellos eine Eigentumsbeschränkung. Das ist keine Enteignung, aber eine Beschränkung des Eigentums. Greift also ins Grundrecht auf Eigentumsfreiheit ein. Der VfGH verlangt hier, dass dies im öffentlichen Interesse liegen muss, und der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Verhältnismäßig bedeutet: Der Eingriff muss geeignet sein, das Regelungsziel zu erreichen. Es darf kein anderes gelinderes Mittel geben, um das Ziel zu erreichen. Ein anschauliches Beispiel: Sie haben Probleme mit ihrem Meniskus. Daraufhin lassen Sie sich das Bein amputieren. Das Problem ist weg, aber die Lösung war absolut unverhältnismäßig, es hätte gelindere Wege gegeben. Leider ist der VfGH großzügig mit dem Begriff der Verhältnismäßigkeit. Was ich meine: Diese Leerstandsabgabe ist nicht geeignet, den Wohnungsmarkt zu mobilisieren. Es ist einfach eine Geldbeschaffungsaktion zugunsten der Gemeinden. Das unterscheidet sich jetzt von den Freizeitwohnungsabgaben. Da sagt der VfGH, es sei scheinbar nachgewiesen, dass Freizeitwohnsitznutzer wesentlich weniger zur lokalen Wirtschaft beitragen. Aber sie kosten trotzdem gleich viel. Die ganze Infrastruktur, Entsorgung, Versorgung, muss die Gemeinde zur Verfügung stellen. Daher ist die Abgabe dort ein Ausgleich für diese zusätzlichen Aufwendungen.
Wie ist das bei den Leerständen?
Weber: Ein Leerstand, eine nicht bewohnte Wohnung, kostet der Gemeinde nichts. Anders gesagt: Welche Kosten könnten der Gemeinde erwachsen, wenn ich mein Reihenhaus nicht bewohne? Keine!
Laut VfGH darf die Leerstandsabgabe nie so hoch sein, dass sie zum Vermieten/Verkauf zwingt. Wir haben in Vorarlberg einen jährlichen Höchstbetrag von € 2.770 pro leerstehender Wohneinheit festgelegt. Könnte dieser Punkt diskutiert werden, da auch schon kleinere Beträge im individuellen Fall zu hoch sein könnten?
Weber: Ja. Das kann zu Härtefällen führen. Härtefälle machen jedoch eine Regelung nicht verfassungswidrig. Es müsste eine große Zahl von Fällen betroffen sein. Der VfGH spricht dann von einer Erdrosselungssteuer, wenn sie zu einem bestimmten Verhalten zwingt. Nehmen wir an, die Abgabe wäre dreimal so hoch wie der genannte Betrag, dann würde es schon anders ausschauen. Aktuell darf er nicht höher sein. Aber: Es ist geplant, das erwähnte Volkswohnungswesen, da sind alle Maßnahmen der Wohnraumbeschaffung darin enthalten, zu verändern. Das könnte dazu führen, dass einige Bundesländer die Abgaben drastisch erhöhen.
Wenn ich gezwungen bin zu vermieten bzw. zu verkaufen, dann ist es doch Enteignung?
Weber: Ja, das ist dann die Frage, ob das dann ein enteignungsgleicher Akt ist. Das kann man schon machen. Aber das müsste man entschädigen. Dann wird man sich anschauen, ob der VfGH die Sache auch endlich unter Grundrechtsaspekten sieht. Wie weit darf ich denn jetzt wirklich das Eigentum belasten? Wie weit geht meine Freiheit, bei der Entscheidung eine Wohnung leer stehen zu lassen und sie nicht zu vermieten. Es gibt ja gute Gründe, warum Wohnungen leer stehen. Aber diese Aspekte sind alle offen.
Ein enteignungsgleicher Akt wäre aber nicht mehr das gelindeste Mittel. Könnte man dagegen angehen?
Weber: Ja, das würde man so argumentieren müssen. Das sind alles hypothetische Fragen. Welche Möglichkeiten gibt es? Vor allem, werden die dann im Einzelfall vom VfGH akzeptiert? So ein Gesetz würde ziemlich schnell angefochten werden. Im übrigen ist die Frage: Ist so ein Gesetz überhaupt vollziehbar? Wir haben jetzt in Tirol die Leerstandsabgabe. Die Schätzungen sagen, es sind einige zigtausend Wohnungen. Es wurden neunzig eingemeldet. Die Landespolitik hat selber zugeben müssen: Das war ein Bauchfleck.
Wie könnte das vollzogen werden?
Weber: Das ist ein enormer Aufwand. Das müssen die Gemeinden machen. Die müssen den Leerstand feststellen. Aber wie? Mit Lichtautomatik kann ich Anwesenheit simulieren. Jetzt könnte man die Abwässer kontrollieren mittels smart-metering. Das ist jedoch rechtswidrig. Die Telefondaten geben überhaupt nichts mehr her, weil niemand mehr ein Festnetz hat. Die Stromdaten, die können Sie für die Freizeitwohnsitze abfragen. Nicht aber für den klassischen Leerstand. Diese Regelung werden sie dann aber ausdehnen auf die Leerstände, nehme ich an. Aber da kommt die Thematik des Datenschutzes ins Spiel. Ich meine, man kann natürlich in den Datenschutz eingreifen. Aber das wird schwierig.
Die Problematik der Datenerhebung ist also ein Punkt. Außerdem ist immer wieder vom Gebäude- und Wohnungsregister als Basis für die Daten die Rede. Ist das sinnvoll?
Weber: Nein, in verfassungsjuristischer Diktion fehlt die Eignung für die Zielerreichung. Die Register sind oft veraltet oder unvollständig. Es ist ein spannendes Thema mit den Leerständen, weil einerseits stimmt es schon, dass es vielleicht objektiv besser wäre, wenn sie genutzt würden. Aber: Man muss auch die Argumente der Eigentümer verstehen.
Die Bestrebungen gehen in die Richtung einer Vermietungspflicht. Wäre es denkbar, dass andere Pflichten, die Vermieter bereits haben, deshalb wegfallen?
Weber: Das können die Länder nicht regeln. Das müsste man dann über Sonderregelungen im Mietrechtsgesetz ändern. Das wäre wieder sehr schwierig. Sollte eine solche Erdrosselungssteuer eingeführt werden und ist diese für zu viele nicht leistbar, dann ist das ein zu weitgehender Eigentumseingriff, der nämlich, wie bereits erwähnt, einer Enteignung gleichkommt. Denn Eigentum bedeutet Verfügungsgewalt. Der alte marxistische Eigentumsbegriff spielt bei uns in der Judikatur eine große Rolle. Es geht nicht nur darum, ob man im Grundbuch steht, sondern, ob man über seine Wohnung verfügen kann oder nicht. Wenn ich das nicht mehr kann, weil ich dann einfach verkaufen/vermieten muss. Es gilt für mich das gleiche Mietrecht wie für alle, dann ist das schon ein verstärktes Argument zu sagen, da sind die Belastungen jetzt schon sehr hoch und unzumutbar für Vermieter.
Sie empfinden die Leerstandsabgabe nicht als richtiges Mittel, was wäre besser?
Weber: Da müsste das Mietrechtsgesetz von verschiedenen Hürden befreit werden. Es sind darin einfach zu viele Erhaltungspflichten enthalten, die den Eigentümer treffen. Die sollten reduziert werden. Ein Vorschlag wäre: Alles, was die Bausubstanz betrifft, muss der Eigentümer erhalten. Dann wäre zu überprüfen, ob nicht manche Dinge auf den Mieter überlastet werden könnten. Wir haben diese Diskussion beim Umstieg von fossiler Heizung in alternative Systeme. Da bleibt der Mieter völlig draußen. Da könnte man diskutieren, inwieweit das wirklich gerecht ist. Es macht auch gesetzlich keinen Unterschied, ob ich drei oder 30 Wohnungen vermiete. Das müsste endlich sachlich gerechtfertigt und differenziert werden. Aber das sind bundesrechtliche Regelungen.
Wer profitiert von der Leerstands- und Zweitwohnsitzabgabe?
Weber: Die Gemeinde. Kein Mieter, kein Vermieter! Die Abgabe bezahlt der Eigentümer. Und der entrichtet sie direkt an die Gemeinde, das ist nach finanzverfassungs- und finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen eine ausschließliche Gemeindeabgabe. Der gesamte Erlös fällt an die Gemeinde. Es bestünde theoretisch noch die Möglichkeit, dass sich das Land einen Teil vorbehält. Angesichts der Finanznot der Gemeinden, die in Vorarlberg auch nicht besser sein dürfte als im restlichen Österreich, nehme ich an, die Abgabe bleibt gänzlich bei den Gemeinden. Der Vermieter bezahlt, er hat die Belastung. Der Mieter spürt davon gar nichts. Der verliert nichts, der gewinnt nichts.
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