DIE EWIGE GESCHICHTE DER FUSSGÄNGERZONE BREGENZ

Vor genau zwei Jahren (Ausgabe 06/22) berichtete die Haus & Grund über die Bregenzer Fußgängerzone. Die größte Fußgängerzone Vorarlbergs wurde im Juli 2022 trotz Protesten und Gegen-Petition seitens Anwohnern und ansässigen Unternehmen eröffnet. Zwei Jahre später ist die Sache noch nicht zur Ruhe gekommen – Zeit für einen neuerlichen Blick auf die Causa Fußgängerzone Bregenz.

Text: Mag. Ursula Fehle

Der große Kritikpunkt an der Fußgängerzone war nie die Fußgängerzone selbst, sondern die Vorgehensweise seitens des Bürgermeisters Michael Ritsch (SPÖ). Denn wer Akzeptanz für ein Projekt fordert, der sollte den Personenkreis, der von einer Änderung der Bedingungen am meisten betroffen ist, auch in den Prozess und die Entscheidungsfindung einbinden. Wenn die Etablierung einer Fußgängerzone das tägliche Leben drastisch erschwert oder für Betriebe geschäftsschädigend wirken kann, muss über andere Lösungsansätze – wie zum Beispiel einer Begegnungszone – gesprochen werden. Die aktive Einbindung in Entscheidungsprozesse bietet außerdem Transparenz, ein wesentlicher Faktor, auch wenn es um Akzeptanz geht. Wer nachvollziehen kann, aus welchen Gründen, eine scheinbar suboptimale Lösung doch die richtige ist, kann sich auch leichter mit den veränderten Bedingungen abfinden beziehungsweise daran anpassen. Genau darauf wurde in der Sache Fußgängerzone Bregenz gänzlich „vergessen“. Erst kürzlich (September 2024, der ORF Vorarlberg berichtete) weitete sich der Streit um die Fußgängerzone sogar in andere Städte aus. Bürgermeister Ritsch entgegnete auf den Vorwurf der Fahrschule Frener, die Fußgängerzone wäre rechtswidrig, dass die Bregenzer Verordnung für die Fußgängerzone anders als in den anderen Vorarlberger Städten intensiv geprüft worden sei. 


Keine inhaltliche Prüfung 

Tatsächlich wurde das Verfahren rund um die Bregenzer Fußgängerzone geprüft. Als die Haus & Grund vor zwei Jahren darüber berichtete, lag der Akt Fußgängerzone gerade bei der Bezirkshauptmannschaft. Danach ging es weiter zum Landesverwaltungsgericht. Dies urteilte, dass eine Akteneinsicht ermöglicht werden müsse. Hier nochmal ein Blick zurück: Es war dem betroffenen Personenkreis keine Akteneinsicht möglich. RA Dr. Markus Hagen (Präsident der Vorarlberger Eigentümervereinigung)  beschrieb die Situation damals wie folgt; „Nicht einmal als Eigentümer habe ich das Recht den Akt zu prüfen und so mögliche Fehler ausfindig zu machen. Möchte ich mich rechtlich gegen die Verordnung wehren, muss ich das tun, ohne nähere Informationen zu haben. Ich muss unwissend den Instanzenzug durchlaufen.” Darin sieht Hagen auch heute noch die Dramatik. „Die wirklich Betroffenen – Eigentümer, Mieter/Bewohner, Immobilienbesitzer, Geschäftsinhaber – wurden gar nicht gefragt. Es gab keine Interessenabwägung. Und: Man hat bewusst verhindert, dass die Betroffenen erfahren, was genau geplant ist. Wer nicht weiß, was passiert, kann sich weder zur Wehr setzen, noch konstruktiv einbringen.”

Laut Urteil des Landesverwaltungsgerichts hätte nun also Akteneinsicht seitens des Bürgermeisters Ritsch ermöglicht werden müssen. Dieser entschied sich für den nächsten juristischen Schritt und brachte die Angelegenheit vor den Verwaltungsgerichtshof (VWGH) in Wien. „Ein schreckliches Signal. Ein Vorarlberger Bürgermeister vertraut nicht in die Gerichte des Landes, richtet sich lieber gen Wien.” Im Oktober dieses Jahres bestätigte der VfGH die Bregenzer Fußgängerzone. Hierzu Hagen: „Der VfGH prüft im Grunde nur, ob es ein Verfahren im Zusammenhang mit der Fußgängerzone gab und, ob sich dieses an die Grundprinzipien der Verfassung hielt, ob das Verfahren korrekt abgewickelt wurde, aber es prüft nicht die inhaltlichen Aspekte.” Das heißt: Das Verfahren ist rein formal korrekt abgewickelt worden. Es wurde aber zum Beispiel nicht geprüft, ob die Grundvoraussetzungen für eine Fußgängerzone überhaupt gegeben sind. Die Straßenverkehrsordnung gibt im Abschnitt 8, § 76a klar vor, wann eine Fußgängerzone errichtet werden darf und welche Kriterien erfüllt sein müssen: „Die Behörde kann, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, die Entflechtung des Verkehrs oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erfordert, durch Verordnung Straßenstellen oder Gebiete dauernd oder zeitweilig dem Fußgängerverkehr vorbehalten (Fußgängerzone).” Eine Fußgängerzone darf also nur dann errichtet werden, wenn es notwendig ist. Um zu ermitteln, ob dies notwendig ist, müssen Untersuchungen – Verkehrsfluss, Verkehrsaufkommen, Unfallrisiken und Co. – gemacht werden. Zeigen die Ergebnisse, dass eine Fußgängerzone die Situation verbessern oder entschärfen würde, sind die Voraussetzungen erfüllt und es spricht nichts gegen die Errichtung einer Fußgängerzone. In Bregenz wurde dies laut Hagen nicht gemacht. Bürgermeister Ritsch betrachtete angeblich nur die Aspekte rund um die Vorteile einer Fußgängerzone, jedoch wurde nie die Notwendigkeit geprüft. 

«In Bregenz wurden die Grundvoraussetzungen für die Errichtung einer Fußgängerzone nicht geprüft.»​​

Dr. Markus Hagen


Transparenz geht anders

Die Wichtigkeit von transparentem Agieren steht außer Zweifel. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen, Beteiligung und Mitbestimmung, Vertrauensbildung, Verhinderung von Fehlern und negativen Folgen, Rechtsstaatlichkeit und Fairness – um nur einige zu nennen. In Bregenz wurde bewusst intransparent agiert, Akteneinsicht so lange wie möglich verhindert. Hier hakt Hagen ein und verdeutlicht nochmal, dass aufgrund des Umweltinformationsgesetzes jedem Bürger von vornherein Auskunft gegeben werden hätte müssen, was nicht geschehen ist. Hier wurde laut Hagen ein Gesetzesverstoß begangen, der zu prüfen ist.

Die Errichtung einer Fußgängerzone liegt in der Verordnungskompetenz des Bürgermeisters. Er kann dies also alleine entscheiden. Gerade deshalb wäre Transparenz nochmal wichtiger, um das Gefühl der Willkür zu entschärfen. Der Nationalrat hat im Jänner 2024 das Ende des Amtsgeheimnisses beschlossen. Mit September 2025 tritt es in Kraft. Ein klares Zeichen der damaligen Bundesregierung für die Wichtigkeit von Transparenz. Bregenz sollte sich in Zukunft in dieser Form nicht mehr wiederholen können. 


Der Weg ist das Ziel 

Die Zufriedenheit mit der Fußgängerzone ist angeblich aktuell sehr hoch. Politisch war es mit Sicherheit eine schicke Entscheidung, die auch gleich mit dem VCÖ-Mobilitätspreis belohnt wurde. Die Interessen, der tatsächlich Betroffenen wurden dafür jedoch geopfert. 

Die Fahrschule Frener, der es laut Medienberichten nur um eine Ausnahmegenehmigung für die Zufahrt ging (diese wurde nicht gewährt), erwägt jetzt einen Standortwechsel. Was also bleibt, ist ein fahler Beigeschmack der Willkür und des Verdeckens. Andere Kommunen und Bürgermeister sollten dieses Verhalten nicht übernehmen, sondern stattdessen auf Transparenz und die Einbindung aller Betroffenen setzen. Durch offene Kommunikation und gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse können zukünftige Projekte im Sinne aller erfolgreich umgesetzt werden.

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