
In der letzten Ausgabe der Haus & Grund berichteten wir über die geplante Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien seitens der EU und die daraus potenziell resultierenden und verheerenden Auswirkungen für Eigentümer von älteren Gebäuden. Der Energieausweis spielt dabei eine wesentliche Rolle. Zeit, ihn unter die Lupe zu nehmen.
Text: Ursula Fehle
Ein kurzer Rückblick: Das EU-Parlament liebäugelt schon seit ein paar Jahren mit einer drastischen Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien. Im Zentrum steht die Klassifizierung von Gebäuden. Wessen Gebäude nicht in der Energieklasse F, G bzw. zu einem späteren Zeitpunkt E ist, muss sanieren. Das ist die extreme Ausgangsposition für die Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat. Falls sich der EU-Ministerrat auf eine rechtsgültige EU-Richtlinie mit diesen Vorgaben einigt, dann kommen Sanierungspflicht und hohe Kosten auf Eigentümer von älteren Gebäuden zu. Und das noch in sehr kurzer Zeit. Innerhalb von zehn Jahren sollen keine Häuser der Kategorie E, F und G mehr zu finden sein. Das ist Energieeffizienz mit allen Mitteln auf Kosten der EU-Bürger ohne Rücksicht auf Verluste. Oder wie es Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kürzlich bezeichnete: Völlig weltfremd.
Der Hauptakteur: Der Energieausweis
Der Energieausweis selber ist nichts neues. 2008 wurde er in Österreich verpflichtend für Neubauten eingeführt. Seit dem 1. Jänner 2009 ist er verpflichtend durch den Eigentümer vorzulegen, bei Vermietung, Verpachtung, Verkauf von Wohnungen und Wohngebäuden oder betrieblichen Gebäuden. Wer also selbst in seinem älteren Wohneigentum lebt, hat bisher keinen Energieausweis benötigt. Es gibt also in Österreich und in Vorarlberg mit Sicherheit noch eine Großzahl an älteren Wohneigentumsobjekten, die noch über gar keinen bzw. über einen bereits abgelaufenen (er ist nur 10 Jahre gültig) Energieausweis verfügen. Kurzum: Es gibt eine unbestimmte Zahl an unklassifizierten, älteren Gebäuden. Genau diese Gebäude sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch jene, die von einer Sanierungspflicht betroffen wären. Doch bevor eine mögliche Sanierungspflicht greift, benötigt es eine Energieausweispflicht, um festzustellen, wer sanieren muss und wer mit einem blauen Auge davon kommt. Pflichten über Pflichten und alle werden, ohne Rücksicht auf Verluste, auf die Eigentümer abgewälzt.
Alles muss klassifiziert werden
Es herrscht eine regelrechte Klassifizierungswut in der EU – von Kühlschränken über Bauteile, alles muss eingeordnet werden können. Wie richtig und zielführend die Zu- und Einordnungen tatsächlich sind, sei dahingestellt. Mit dem Energieausweis können seit rund 15 Jahren sogar gesamte Häuser und ihre Energieeffizienz eingeordnet werden.
Wer in Vorarlberg etwas über den Energieausweis erfahren möchte, hat zumindest mit der Energieausweiszentrale Vorarlberg (EAWZ) eine Anlaufstelle. Laut Angaben der EAWZ soll der Energieausweis dazu dienen, „die zu erwartenden energetischen Aufwendungen für den Betrieb eines Gebäudes“ zu ermitteln. Dabei werden die Energie für die Heizung, das Warmwasser, die Lüftung und Haushaltsstrom berücksichtigt. Die Berechnungen werden anhand von bestimmten, angenommenen Normbedingungen durchgeführt. Der Energieausweis gibt also nur Auskunft über genormte, hypothetische Aufwendungen, nicht aber über den tatsächlichen Verbrauch. Das Nutzerverhalten wird bei diesen Erhebungen gar nicht berücksichtigt. Das wäre aber, wenn die Gebäudeeffizienzrichtlinien verschärft werden, ein relevanter Punkt. Denn optimiertes und angepasstes Verhalten der Nutzer, könnte den Verbrauch deutlich senken und somit auch zur Energieeffizienz beitragen.
Aussagekraft bei Altbauten
Essenziell für die Erstellung eines Energieausweises sind Pläne, die die Geometrie des Hauses richtig abbilden und auch Informationen über den Aufbau des Bodens und der verwendeten Bauteile. Bei Neubauten stellt dies kein Problem dar. Bei Altbauten – die von der Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien betroffen wären – sieht die Sache anders aus. Dort ist es vielfach nicht nachvollziehbar, was verbaut wurde. Martin Brunn von der EAWZ verweist hier auf das Österreichische Institut für Bauchtechnik (ÖIB). „In solchen Fällen, wenn nicht klar ist, wie etwas gebaut wurde, gibt es beim ÖIB, die Informationen dazu, wie zu der damaligen Zeit gebaut wurde. Mit diesen Werten kann die Berechnung dann durchgeführt werden.“ Ob das dann tatsächlich dem entspricht, was im eigenen Haus verbaut wurde, bleibt offen. Wer außerdem über die notwendigen Pläne oder Unterlagen nicht verfügt, für den gibt es bei Verkauf oder Vermietung ein vereinfachtes Verfahren zur Erstellung des Energieausweises. Das gilt auch für den Altbau. Egal, von welcher Seite man den Energieausweis betrachtet, der Beigeschmack von Ungenauigkeit und zu starker Normierung und zu wenig individuellem Objektbezug bleibt bestehen. Bei einer tatsächlichen Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien wäre aber die individuelle Betrachtung der betroffenen Immobilien essenziell.
Was bedeuten die Werte
Der Energieausweis scheint so konzipiert, dass Laien nur Bahnhof verstehen können. Auf der ersten Seite des Dokuments werden der Referenz-Heizwärmebedarf (HBWRef), der Primärenergiebedarf (PEB), die CO₂-Emissionen sowie der Faktor für die Gesamtenergieeffizienz angegeben. Was diese Werte tatsächlich über das klassifizierte Gebäude aussagen, ist den Wenigsten klar. Aus den Erläuterungen des EAWZ geht hervor, dass der Referenz-Heizwärmebedarf jene Wärmemenge ist, die notwendig ist, um die Räume auf einer normativ geforderten Raumtemperatur zu halten. Interessant ist der Aspekt, dass Erträge aus Wärmerückgewinnung hier nicht berücksichtigt werden. Der Primärenergiebedarf gibt wiederum Auskunft darüber, wie viel Energie im Vorfeld zur Energieerzeugung aufgewendet werden muss, um den Endenergiebedarf (Heizung, Warmwasser, Kühlung, Lüftung, Licht) des Hauses zu decken. Die CO₂-Klassifizierung gibt dann Auskunft über die Emissionen, die beim Betrieb des Hauses, aber auch bei den vorgelagerten Prozessen entstehen. Der Gesamtenergieeffizienz-Faktor ist der Quotient aus dem Endenergiebedarf des Gebäudes und einem Referenzbedarf. Je niedriger dieser Wert, desto besser. Alleine diese bereits vereinfachten Erklärungen machen deutlich: Die Richtigkeit eines Energieausweises zu prüfen, ist für den durchschnittlichen Hauseigentümer kaum machbar.
Schwankungen und Schindluder
Es gibt keine zentrale Energieausweiserstellungsstelle. Laut Bundesministerium für Bauen, Wohnen und Umwelt ist zwar klar vorgegeben, welche Gewerbetreibende und auch Ziviltechniker zur Ausstellung des Ausweises befugt sind. Die Zahl der Ausstellungsbefugten ist groß. Anders gesagt: Der Energieausweis ist ein Produkt, das am freien Markt erhältlich ist. Das bedeutet wiederum, je nach Anbieter wird es enorme Schwankungen in Preis und Qualität geben. Viele Energieausweisaussteller bieten auch eine kostengünstige „Ferndiagnose“ an, eine Hausbegutachtung ist dafür gar nicht nötig. Die Sinnhaftigkeit dessen darf hinterfragt werden. Brunn räumt zudem ein, dass durchaus zwei Aussteller bei ein und demselben Gebäude auf unterschiedliche Ergebnisse kommen könnten und sofern ein verpflichtender Energieausweis im Zusammenhang mit einer Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien eingeführt werden würde, damit zu rechnen wäre, dass hier kräftig Schindluder getrieben werden könnte. Wenn Eigentümer durch einen guten Energieausweis – Kategorie A bis D – einer teuren Zwangssanierung des eigenen Hauses entkommen können. Ist es dann verwunderlich, wenn man sich an den Energieausweisersteller wendet, der die gewünschten, positiven Ergebnisse liefert und einem die nicht leistbare Sanierung erspart?
Druck erzeugt Gegendruck
Die EU möchte die Gebäudeeffizienzrichtlinien verschärfen, um den Klimazielen näherzukommen. Eine drohende Sanierungspflicht stellt enormen Druck für Eigentümer dar. Druck erzeugt Gegendruck und Ablehnung. Wenn das Ziel ist, so viele Altbauten als möglich für das Klima und die Zukunft zu sanieren, sollten die Eigentümer nicht mit, in vielen Fällen nicht bezahlbaren, Zwangsmaßnahmen (Sanierungspflicht) bedroht werden.
Und: Wer den Energieausweis genau betrachtet, erkennt, er ist keinesfalls das adäquate Mittel für die Klassifizierung von Altbauten. Wer aber Energieeffizienz mit allen Mitteln auf Kosten der EU-Bürger ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen möchte, wird dies dennoch tun – „völlig weltfremd“.
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