BAURECHT ENTRÜMPELN, CHANCEN ERMÖGLICHEN - BAYERN ALS VORBILD?

Bauen wird immer teurer. Und das nicht erst seit ein paar Jahren. Es ist eine Entwicklung, die sich seit den frühen 2000er-Jahren zeigt und kontinuierlich fortsetzt. Warum ist das so? Ein Blick auf das Baurecht und aktuell auch auf Bayern lohnt sich. Eine Entrümpelung des Baurechts wurde dort vergangenes Jahr beschlossen.

Text: Mag. Ursula Fehle

2023 verfasste Dipl.-Ing. Dr. techn. Andreas Kropik (Professor für Bauwirtschaft und Baumanagement an der TU Wien) eine Studie, die Potenziale zur Reduktion der Bauwerkskosten identifizierte und darstellte. Im Zuge der Studie wurden die Ursachen für steigende Kosten genau betrachtet (dazu später), ebenso wurde die Kaufkraft in Österreich in den letzten Jahrzehnten einbezogen. Laut Studie war Bauen von den 1970er-Jahren bis Ende der 1990er- bzw. Anfang 2000er-Jahre eine großartige Sache. Die Kosten waren in Relation zu den Einkommen gesunken, die Kaufkraft war hoch. Bauen war aus heutiger Sicht günstig und für das verdiente Geld bekam man viel. Diese prächtigen Zeiten gingen mit der Jahrtausendwende langsam aber stetig zu Ende. Die Kaufkraft verringerte sich und spätestens ab 2005 stiegen die Bauwerkskosten (Rohbau, Ausbau, Haustechnik; Grundstückskosten sind hier nicht berücksichtigt) stärker an. Von 1999 bis 2024 stiegen die Baukosten jährlich um 3,1% an. Die durchschnittliche jährliche Inflation lag in diesem Zeitraum bei +2,5%. Die Sondersituationen der vergangenen fünf Jahre – Covid, Ukraine-Krieg und Co. – haben zudem in allen Lebensbereichen zu steigenden Kosten geführt. Die Kosten sind hoch – die Löhne nicht hoch genug. Das ist die relativ simple Gleichung. Die Frage, die sich daraus ableiten lässt: Wie kann das Baurecht zu einer Verbesserung der Situation beitragen? 


Zu viel des Guten 

Kropik verweist in seiner Studie auf weitere Untersuchungen und Studien, die seine Ergebnisse unterstreichen und Baurecht, Normen und Richtlinien sowie ständig steigende Standards als wesentliche Kostentreiber im Bau identifizieren und bestätigen. Als weiterer Problemverursacher wird das österreichische Baurecht an sich genannt. Dieses liegt in der Kompetenz der Länder und ist deshalb nicht einheitlich. Das bedeutet: Unterschiedliche Begrifflichkeiten, unterschiedliche Regelungen sowie auch unterschiedliche Bezeichnungen von Rechtsvorschriften. Die Verländerung des Baurechts ist differenziert zu sehen, nicht allgemein abzulehnen. Denn es gibt gute Argumente, das Baurecht in die Kompetenz des jeweiligen Bundeslandes zu legen. Einfach gesagt: Wien ist nicht das Burgenland und Vorarlberg ist nicht Salzburg. Unterschiedliche Vorschriften sind hier sehr wohl sinnvoll. Was aber Kropik als ratsam (aber ebenso utopisch) sieht, wäre eine Art österreichische Musterbauordnung, diese könnte die Nutzung von Synergieeffekten ermöglichen und Kosteneinsparungen bei Planung und Verwaltung bewirken.


Das Übererfüllen von bereits definierten Zielvorgaben sieht Kropik ebenso als Problem, das mit einer einheitlichen Musterbauordnung oder eben einem entrümpelten Baurecht (in allen Bundesländern) behoben werden könnte. Neue Normen und Standards würden häufig eingeführt, ohne die Kosten dem Nutzen gegenüberzustellen. 


Die Kostentreiber sind…

Die stetig wachsenden technischen und funktionalen Anforderungen, die durch strengere Bauvorschriften, höhere Standards für Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Sicherheitsmaßnahmen kontinuierlich steigen. Gleichzeitig führt die komplexe und uneinheitliche Regulierung in Österreich mit unterschiedlichen Landesbauordnungen und übererfüllten EU-Vorgaben („gold plating“) zu einem höheren Planungsaufwand und steigenden Kosten. 


Auch flächenbezogene Vorgaben, darunter Mindestgrößen für Wohnungen, breitere Gänge oder verpflichtende Allgemeinräume, tragen zur Verteuerung bei. Hinzu kommen Mobilitätsauflagen, die eine hohe Anzahl an KFZ- und Fahrradstellplätzen sowie eine bestimmte Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge vorschreiben. Besonders gravierend wirken sich die Anforderungen an maximale Energieeffizienz aus, die oft ohne ausreichende wirtschaftliche Abwägung hohe Investitionen erfordern. Zusätzlich treiben Inflation, steigende Lohnkosten im Baugewerbe und teurere Baumaterialien die Preise weiter in die Höhe. 

Mehr Informationen und Details zur Studie gibt es hier:

Einsparungspotentiale bei Baukosten

Bayern als Vorbild? 

Mit dem Inkrafttreten des ersten und zweiten Modernisierungsgesetzes am 1. Jänner 2025, wurden in Bayern Änderungen der Bayerischen Bauordnung (BayBO) umgesetzt, die auf Entbürokratisierung und Beschleunigung von Bauvorhaben abzielen. Eine Maßnahme, um Kosten zu senken. Mehr Bauvorhaben, wie Dachgeschossausbauten und Dachgauben, sind seit 2025 genehmigungsfrei, müssen aber der Gemeinde angezeigt werden. Gemeinden entscheiden künftig über Stellplatz- und Spielplatzpflicht, mit Obergrenzen für Stellplätze. Bauanträge gehen direkt an die Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Landratsamtes (in Österreich wäre das die Bezirkshauptmannschaft), die innerhalb von drei Wochen über Vollständigkeit entscheidet. Die Gültigkeit von Vorbescheiden wird verlängert, um Planungssicherheit zu erhöhen. Dies sind nur einige Punkte, weitere wären:

  • leichtere Innenentwicklung/leichtere Nachverdichtung 
  • Innovationsklausel - veraltete Bebauungspläne schneller anpassen an neue Bedingungen 
  • Fokus Digitalisierung - Bekanntmachungen und Co. sind digital leicht zugänglich 
  • Anzeigepflicht von Ausgleichsmaßnahmen wie Dachbegrünung 
  • Höhere Flexibilität bei Abstandsflächen (in Städten) 

Was Bayern hier gemacht hat: Bürokratie entschlacken und straffen. Das bedeutet: Zeit und Geld sparen. Ob das funktionieren wird, muss sich erst zeigen. Kritiker meinen, diese Maßnahme wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Befürworter sehen diese Novelle als wegweisend und als längst überfällig. 


Und was kann Vorarlberg tun?

Eine Senkung der Baukosten kann durch mehrere Maßnahmen erreicht werden. Eine Harmonisierung der Bauordnungen der Bundesländer sowie die Einführung einer Musterbauordnung würden laut Kropik Planungsprozesse vereinfachen und Kosten reduzieren. Zudem sollten laut Studie Bauvorschriften überprüft und auf das Wesentliche beschränkt werden, um unnötige Anforderungen zu vermeiden. Langfristig stabile rechtliche Rahmenbedingungen sorgen für Planungssicherheit und verhindern kostenintensive Anpassungen. Zudem sollte auf „Golden Plating“, also die Übererfüllung europäischer Vorgaben, verzichtet werden.

Weitere Einsparpotenziale liegen in der Anpassung spezifischer Bauvorschriften. Beispielsweise könnten Mindestflächenvorgaben und Stellplatzpflichten reduziert (siehe Bayern), Gang- und Fluchtwegbreiten flexibler gestaltet und die Mindest-Raumhöhe auch bei Mehrparteienhäuser auf 2,40 m gesenkt werden. Eine Aufzugspflicht erst ab vier Geschossen sowie realistische Anforderungen an die Barrierefreiheit würden ebenfalls zu Kostensenkungen beitragen. Zusätzlich sollten wirtschaftliche Aspekte bereits in der Planung berücksichtigt werden. Faire Vertragsbedingungen helfen, Risikoaufschläge zu vermeiden, und eine maßvolle Gebäudeausstattung verhindert unnötige Mehrkosten. Insgesamt erfordert die Umsetzung dieser Maßnahmen eine enge Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebern, Bauindustrie und Normenausschüssen, um eine kosteneffiziente Bauweise sicherzustellen.


Top-Niveau ohne Kosten? 

Bauen günstiger zu machen, ohne an Qualität einzubüßen, ist eine Herausforderung – insbesondere, wenn höchste Standards als unumstößlich gelten. Wer immer das Beste vom Besten will, zahlt den Preis dafür. Die Frage, die sich hier stellt: Braucht es wirklich immer den absoluten Top-Standard? Natürlich sollen Gebäude sicher, effizient und nachhaltig sein. Aber bedeutet das zwangsläufig eine immer weiter steigende Regulierung, noch höhere Anforderungen und immer neue Normen? Vielleicht liegt ein Teil der Lösung darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – sinnvolle Standards beizubehalten, aber übertriebene Vorgaben kritisch zu hinterfragen. Ein durchdachtes, pragmatisches Baurecht kann helfen, Qualität bezahlbar zu halten, ohne unnötige Kosten zu verursachen. Bayern zeigt mit seinen Reformen einen Ansatz für einen möglichen Weg. 

Ob Vorarlberg nachziehen kann und will, bleibt abzuwarten – doch die Debatte über entrümpeltes Baurecht und eine realistische Balance zwischen Qualität und Bezahlbarkeit sollte nicht nur intensiv geführt werden, sondern auch zu Handlungen führen.


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