„WIR HOLEN DIE EXPERTEN DAZU, WENN WIR SIE BRAUCHEN.

Der Lauteracher Bürgermeister hat im vergangenen Sommer beschlossen, den Gestaltungsbeirat in der gegebenen Form, so wie es über 30 Jahre Usus war, nicht mehr einzuberufen. Eine ungewöhnliche Vorgehensweise, über die die Haus & Grund mit Bürgermeister Elmar Rhomberg (ÖVP) gesprochen hat. 


Interview: Mag. Ursula Fehle


Bevor wir auf das Ende des Gestaltungsbeirats blicken: Können Sie uns etwas zur Entwicklung des Beirats über die Jahre erzählen? 

Rhomberg: Wir hatten eine ganz besondere Form des Gestaltungsbeirats hier bei uns in Lauterach. 1991 wurde dieser von meinem Vorgänger Elmar Kolb eingeführt (Anm: Elmar Rhomberg ist seit 2003 Bürgermeister). Ich habe das auch in seinem Sinne übernommen. Der Gestaltungsbeirat setzte sich immer aus drei Architekten aus Vorarlberg und Deutschland zusammen, die periodisch wechselten. Uns war eine gesunde Fluktuation im Beirat wichtig. Im Jahr 2010 kam ein viertes Mitglied zum Beirat,  ein Raumplaner, hinzu. Das war das Büro Stadtland mit Sitz in Bregenz und Wien. Wir hatten mit diesem Büro seit vielen Jahren zusammengearbeitet. Schon das räumliche Entwicklungskonzept und auch den gesetzlich vorgegebenen Entwicklungsplan hatten wir gemeinsam mit ihnen erstellt. Die Erweiterung des Beirats um den raumplanerischen Aspekt sahen wir daher als essenziell und Stadtland als logischen Partner. 


Architekten und Raumplaner sind ja nicht immer einer Meinung. Wurde das auch im Beirat spürbar? 

Rhomberg: Wir haben ganz bewusst Raumplaner hinzugeholt, um nicht nur das einzelne Bauprojekt zu betrachten, sondern den umliegenden Raum. Dabei haben wir öfter gespürt, dass der Raumplaner von den Architekten manchmal als ‚Fremdkörper‘ wahrgenommen wurde. Dass plötzlich auch die Raumplanung mitentscheidet, empfanden einige als störend. Wir sahen diese zusätzliche Expertise hingegen als sehr bereichernd. 


Wie hat der Gestaltungsbeirat gearbeitet, wie können wir uns das vorstellen? 

Rhomberg: Jedes Projekt – von Einfamilienhaus bis zur Wohnanlage – wurde vom Amt aufbereitet. Wir haben das dann in regelmäßigen Terminen gemeinsam begutachtet. Bauamtsmitarbeiter, die mit den Projekten vertraut waren und die Bauverfahren abwickeln, haben Empfehlungen abgegeben, welche Projekte eine Beurteilung aus Gemeindesicht benötigen. Dann kamen die Projekte in den Bauausschuss. Eines der vier Beiratsmitglieder stand dort Rede und Antwort, beurteilte die Vorhaben auf fachlicher Ebene. Das war grundsätzlich gut. Denn die Bauausschussmitglieder sind nicht nur Fachleute, sondern der Bauausschuss ist auch aus Vertretern der verschiedenen politischen Fraktionen zusammengesetzt. Der Input des Beirats war also wichtig und relevant als Information und zur Entscheidungsfindung. 


Das klingt nach guter Zusammenarbeit, wie kam es dann zum Entschluss, vorerst auf den Beirat zu verzichten? 

Rhomberg: Die Zusammenarbeit war über viele Jahre hinweg sehr gut. Aber es hat sich eine gewisse Entwicklung abgezeichnet. Es gab konkret zwei, drei Fälle, in denen die Beiräte anfingen, Politik zu machen, statt nur zu beraten. Da muss ich als Bürgermeister aber klar sagen: Ich bin die Baubehörde, ich kenne die Gesetze. Den Beirat habe ich als wertvolles Beratungsinstrument verstanden, aber nie als Entscheidungsinstanz.

Ein Beispiel war ein großes Betriebsbauprojekt – ein wichtiges Vorhaben für die Gemeinde. Zweimal gab es eine Vorprüfung, und beim dritten Mal wurde plötzlich die Höhe als problematisch eingestuft. Dieses Projekt ist bis heute nicht umgesetzt, weil Gemeinde- und Landesbeirat die Höhe kritisch sehen. Ich als Bürgermeister sehe das jedoch anders: Die baurechtlichen Vorgaben wurden eingehalten und wir befinden uns im Industriegebiet. Grundsätzlich stand dem Projekt aus meiner Sicht nichts im Weg, denn von baurechtlicher Seite war alles korrekt. Ich merkte, wir kommen hier auf diese Art nicht weiter. So ist dann die Entscheidung gefallen, dass es mit dem Gestaltungsbeirat in dieser Form nicht mehr funktioniert.


Wie wird es jetzt gehandhabt? 

Rhomberg: Wir holen gezielt dann Architekten oder Raumplaner in beratender Funktion hinzu, wenn entweder die Mitarbeiter des Bauamtes oder ich selbst sagen, dass wir eine fachliche Einschätzung brauchen. Was es in dieser Form nicht mehr gibt, sind fixe Beiratsgutachten für Projekte. Denn diese Herangehensweise kann wichtige Vorhaben auch behindern oder blockieren. Wenn ein fachliches Gutachten von Architekten oder Raumplanern negativ ausfällt, genehmigt der Amtssachverständige beim Land das Projekt in der Regel nicht. Und das ist für uns problematisch.


Sind Gestaltungsbeiräte somit Verhinderer?

Rhomberg: Nein, auf keinen Fall! Sie liefern wertvollen Input, dürfen aber nicht über ihre Funktion im Beirat Politik betreiben. Wir in Lauterach haben mit unserem räumlichen Entwicklungsplan eine klare Grundlage, in der wir Themen wie Gebäudehöhe, Baudichte, Materialien und Co. intensiv besprochen haben. Innerhalb dieses Rahmens treffen wir unsere Entscheidungen. Bei unklaren Fällen holen wir die Experten dazu. Oder auch: Um eine Projekt nochmal zu bestätigen. Ich bin mir bewusst, dass ich kein Architekt und kein Raumplaner bin. Aber ich habe nach über 20 Jahren als Bürgermeister ein gutes Gespür dafür, was in unserer Region möglich ist, was die Bürger wollen und was die Gemeinde braucht. Natürlich steht dabei immer die Einhaltung des Baugesetzes an oberster Stelle. 


Heißt das, nie wieder ein Beirat für Lauterach?

Rhomberg: Nein, das heißt es nicht. Ein neuer Bürgermeister, der vielleicht noch nicht so viel Erfahrung hat, braucht anfangs womöglich mehr Expertise von außen. Was ich jedoch kritisch sehe, ist, wenn sich ein Bürgermeister hinter dem Gestaltungsbeirat „versteckt“. Das passiert in manchen Gemeinden. Ich handhabe das anders. Als Bürgermeister bin ich die Baubehörde und hole mir das nötige Fachwissen, wenn es erforderlich ist. Letztlich entscheide aber ich. Ganz wichtig: Ich schließe nicht aus, dass wir den Beirat in der bisherigen Form eines Tages wieder etablieren. Eine Neubewertung ist jederzeit möglich. Aktuell funktioniert es allerdings ohne festen Beirat sehr gut.


Wie waren die Reaktionen aus der Bevölkerung zu dieser Entscheidung? 

Rhomberg: Ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten. Mir ist immer wichtig zu betonen, dass die Arbeit des Beirats über lange Zeit sehr geschätzt wurde. Wir wurden 2014 auch mit dem österreichischen Baukulturpreis ausgezeichnet – insbesondere wegen der Arbeit des Beirats. Leider hat sich die Entwicklung zuletzt in eine Richtung bewegt, die ich nicht mehr für sinnvoll hielt. Von Kollegen in anderen Gemeinden höre ich Ähnliches, aber jede Gemeinde ist da anders aufgestellt. Manche Bürgermeister unterschreiben die Bescheide nicht selbst und halten sich lieber heraus. Ich möchte jedoch hinter jedem Projekt stehen können. Aus meiner Sicht war dieser Schritt daher notwendig.

Ich als Bürgermeister muss darauf achten, dass sich die Gemeinde weiterentwickeln kann. Dazu gehören auch die ortsansässigen Unternehmen, und denen müssen wir im Industriegebiet genügend Raum geben, damit sie bauen können. 


Über Elmar Rhomberg (*28.03.1964)

  • seit 1985 Mitarbeiter der Marktgemeinde Lauterach
  • 2000 bis 2003 Gemeindesekretär
  • seit 2003 Bürgermeister der Marktgemeinde Lauterach
  • seit 2024 Vizepräsident des Vorarlberger Gemeindeverbands

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