DAS LANGE WARTEN AUF DIE OPTIMISMUSSPRITZE DER EZB


Georg Flödl, Präsident des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), erzählt im Gespräch mit „Haus & Grund”, warum es trotz der schwierigen Rahmenbedingungen am Wohnungs- und Immobilienmarkt nicht zu einem Preisverfall kommt, warum Rechtssicherheit sein größter Wunsch an die heimische Politik ist – und warum die Europäische Zentralbank (EZB) die Fäden für mehr Optimismus in der Hand hält. 


Interview: Florian Dünser

Herr Flödl, unser letztes Interview liegt beinahe sieben Jahre zurück. Schon 2017 sprachen wir über den großen Themenkomplex leistbares Wohnen. Heute, sieben Jahre später, hat sich die Situation dramatisch verschärft – Stichworte sind KIM-V, schwächelnde Baukonjunktur, Zinsentwicklung und gestiegene Baukosten, um nur wenige Beispiele hervorzuheben. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation am Wohnungs- und Immobilienmarkt?

Flödl: Wir sehen einerseits, dass wir letztes Jahr österreichweit im Neubau noch eine hohe Zahl an Fertigstellungen verzeichnen konnten. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass das Produkt Immobilie einen längere Vorlaufzeit hat. Aber der Schein trügt. Es zeigt sich, dass die Anzahl der Baubewilligungen zurückgeht. Wir befürchten, dass in den nächsten Jahren die Neubau-Fertigstellungen drastisch zurückgehen werden. Was natürlich den Druck auf den Immobilienmarkt nicht erleichtern wird. Auf der anderen Seite ist es so, dass es momentan im Eigentumsbereich viel Angebot am Markt gibt. Nur: Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage hat sich verändert. Das Angebot ist deutlich größer, der Zeitraum der Verfügbarkeit von Immobilien am Markt ist deutlich gestiegen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Nachfrage ist gesunken. 

Die Gründe sind mannigfaltig. Aber als Immobilienmakler merke ich, dass es immer schwieriger wird, Finanzierungen zu bekommen. Zumindest leistbare Finanzierungen. Und das wiederum reduziert die Nachfrage. Ein weiterer Aspekt: Das Bestellerprinzip im Bereich Miete. Das sichtbare Angebot von Mietwohnungen auf den Plattformen geht zurück – auch wenn wir hier ein Ost-West-Gefälle haben. Die Konsequenz: Die Mietnachfrage steigt – aber das Angebot an verfügbaren Mietwohnungen sinkt. 

Insgesamt sehen wir einen sehr komplexen Cocktail, der natürlich auch einen starken Druck erzeugt. 


Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen: der von vielen Seiten erwartete Preisverfall ist bisher ausgeblieben. Warum?

Flödl: Ich gehe davon aus, dass es einerseits nach wie vor Nachfrage gibt. Und andererseits ist die Preisstabilität von Immobilien auch dem allgemeinen Preisniveau geschuldet. Das heißt: es gibt wenig Spielraum. Es muss hier zwischen gebrauchten und neuen Objekten unterschieden werden. Bei den gebrauchten Objekten hängt es sehr stark von der Lage ab. Generell sehen wir, dass der potenzielle Käufer mehr Angebot vorfindet und länger prüfen kann. 


In bestimmten Regionen, darunter eben auch Vorarlberg, wird es auch für Gutverdiener zusehends schwieriger, sich Eigentum leisten zu können. Gäbe es aus Ihrer Sicht sinnvolle Sofortmaßnahmen, die hier zu einer Verbesserung führen würden?

Flödl: Die Politik hat in den vergangenen Wochen erste Ideen präsentiert. Wir merken, dass das Superwahljahr vor der Tür steht. Ich denke, dass die größten Probleme momentan aber mit der Frage der Finanzierbarkeit zusammenhängen. Konkret mit dem verfügbaren Eigenkapital und den laufenden Belastungen. Und hier kann die nationale Politik nur sehr bedingt Gegenmaßnahmen setzen.


Das heißt: Zuschauen und abwarten?

Flödl: Nein. Wir wären in Österreich gut beraten, wenn wir allen voran das Eigentum stärken würden. Im EU-Vergleich sind wir ein Land der Mieter. Hier gibt es unterschiedlichste Ideen und Möglichkeiten, wo auch die Politik ansetzen könnte. Es braucht ein Bündel an Maßnahmen. Aber klar ist: der Finanzmarkt ist Teil dessen. Und dieser Aspekt hat aktuell, aus meiner Sicht, die größten Auswirkungen. 


Die ÖVP hat in ihrem „Österreichplan” das Ziel ausgegeben, die Eigentumsquote bis 2030 von 48 auf 60 Prozent zu erhöhen. Halten Sie das in Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen für realistisch?

Flödl: Nein. Das ist aus meiner Sicht ein hehres Ziel und ich würde es mir auch wünschen, weil Eigentum viele Vorteile mit sich bringt. Aber in Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen halte ich dieses Ziel für unrealistisch. 


Die KIM-V wurde im vergangenen Jahr nicht maßgeblich verbessert, aber den Banken wurde ein Ausnahmekontingent in Höhe von 650 Millionen Euro eingeräumt. Nun zeigen die ersten Auswertungen: dieses Kontingent wird nicht mal ansatzweise ausgeschöpft. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Flödl: Wir erleben es am Markt so, dass eines der größten Probleme darin besteht, dass Zwischenfinanzierungen benötigt werden. Wenn ich eine Neubauwohnung kaufen möchte, die in der Regel noch nicht fertiggestellt ist, kaufe ich im Entwicklungsprozess – und habe in der Regel bereits Wohnraum bzw. eine Finanzierung für ebendiesen. Eine dieser angesprochenen Ausnahmeregelungen betrifft diesen Umstand: man kann zwei Jahre lang die Finanzierung aufschieben. Nur: Das ist oft zu kurz bzw. zu unsicher. Viele potenzielle Käufer fragen sich: Wird der Neubau tatsächlich in zwei Jahren fertiggestellt sein? Schaffe ich es bis dahin, mein bestehendes Eigenheim zu verkaufen? Wir haben den Eindruck, dass das für viele Menschen, Ausnahme hin oder her, zu unsicher ist.


Haben Sie Hoffnung, dass bei der KIM-V noch nachgebessert wird? In anderen EU-Ländern wird das EU-Regelwerk ja durchaus abgeschwächt interpretiert. 

Flödl: Es gibt ja auch durchaus auch Forderungen, die KIM-V in dieser Form generell abzuschaffen. Und ich habe den Eindruck, dass hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Man darf nicht vergessen, dass Eigentum zu schaffen, einer der ureigensten Wünsche der Menschen ist. Und das wird mit der KIM-V nun häufig verunmöglicht. Man sieht das bereits deutlich in den Zahlen. In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres wurden 74.000 Wohnbaukredite gewährt – das entspricht einem Rückgang von 50 Prozent. Die Statistik Austria zeigt weiters, dass im zweiten Quartal 2023 die Baubewilligungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 25 Prozent gesunken sind. Das IIBW gab für 2023 eine Prognose von 40.000 Bewilligungen ab – zum Vergleich: 2021 waren es noch 60.000. Das sind schon drastische Entwicklungen. 


Auch Vermieten muss leistbar bleiben.

Georg Flödl, ÖVI-Präsident

2024 ist ein Superwahljahr – in Vorarlberg werden wir dreimal zur Wahlurne schreiten. Was erwarten Sie sich in Hinblick auf die schwierige Situation am Wohnungs- und Immobilienmarkt von der Politik?

Flödl: Es gibt einen bunten Strauß an Herausforderungen. Die Wohnraumversorgung ist ein Teil davon, die Dekarbonisierung oder die hohen Energie- und Baukosten ein anderer. Und aus meiner Sicht einer der wichtigsten Punkte ist das Thema Rechtssicherheit. Ich habe in vielen Bereichen den Eindruck, dass Vereinbarungen eingegangen werden und dann nachträglich von Seiten des Gesetzgebers eingegriffen wird. Es ist ja diskussionslos so, dass große Herausforderungen in der Zukunft auf uns warten. Wenn ich aber beispielsweise in der Frage der Energiewende eine Parole ausgebe, die danach wieder geändert wird, muss ich in weiterer Folge auch davon ausgehen, dass die gesteckten Ziele nicht erreicht werden können. An diesen dann trotzdem stur festzuhalten, halte ich für schwierig. 


Ein ganz anderes Thema: Haben Sie noch Hoffnung, dass das Mietrechtsgesetz (MRG) novelliert wird?

Flödl: Das ist eine langjährige Forderung und Hoffnung des ÖVI. Wir merken, dass nur versatzstückehaft am MRG gearbeitet wird. Seit kurzem gibt es beispielsweise wieder eine neue Forderung der Mietervereinigung, dass der Betriebskostenkatalog entrümpelt werden soll. Das heißt: Der Vermieter soll noch mehr zahlen. Das hat mit einem fairen MRG nichts mehr zu tun. Da eine Immobilie nicht geschultert und ein neuer Standort gesucht werden kann, werden die Vermieter recht schnell als Opfer auserkoren – ohne als Betroffener etwas dagegen tun zu können. Wenn das MRG neu bewertet wird, dann braucht es auch einen fairen Zugang. Nicht nur Mieten, auch das Vermieten muss leistbar bleiben. 


Der Druck auf Vermieter steigt zusehends – im vergangenen Jahr wurde eine Mietpreisbremse für Kategorie- und Richtwertmieten beschlossen. Ein Bereich, der in Vorarlberg nur wenige Menschen betrifft. Haben Sie Sorge, dass die Mietpreisbremse auf weitere Mietverhältnisse ausgeweitet werden könnte?

Flödl: Das ist in der Tat schwer abzuschätzen. Die Mietpreisbremse ist einer dieser Punkte, wo im Nachhinein vom Gesetzgeber eingegriffen wurde. Es ist darüber hinaus in Zeiten, in denen das Wohnungsangebot am Mietmarkt sinkt, das falsche Signal. Es braucht mehr Angebot, nicht noch mehr Restriktionen. 


Wann wird sich die Situation wieder verbessern?

Flödl: Wohnen ist ein Grundbedürfnis, die Nachfrage wird es immer geben. Ich bin kein Ökonom, aber ich denke, so schnell ein Zinsanstieg den Wohnungsmarkt eingetrübt hat, so schnell werden positive Signale seitens der EZB wieder für mehr Optimismus sorgen.


Zur Person

Georg Flödl ist geschäftsführender Partner von Immobilien Funk und allgemein beeideter zertifizierter Sachverständiger für das Immobilienwesen. Er ist seit 2014 Präsident des ÖVI, der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft.

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