DAS SUPERWAHLJAHR 2024 – UND WELCHE 

THEMEN AUF DIE AGENDA KOMMEN

2024 werden wir in Vorarlberg dreimal zur Urne gerufen. Haus & Grund hat sich angeschaut, welche Wohn- und Immobilienthemen es in den Wahlkampf schaffen. 2024 erwartet uns ein Superwahljahr. Weltweit waren noch nie so viele Menschen aufgerufen, ihre politischen Vertreter zu wählen – konkret 3,6 Milliarden Menschen in über 60 Ländern der Welt. Das entspricht rund 45 Prozent der Weltbevölkerung. Darunter unter anderem die Parlamentswahlen in der Europäischen Union (EU) oder die Präsidentschaftswahl in den USA, um zwei der bedeutendsten hervorzuheben. 

Und auch wenn wir in Österreich kleinere Brötchen backen – auch hier macht sich das Superwahljahr deutlich bemerkbar. In Vorarlberg werden wir wie bereits erwähnt 2024 insgesamt dreimal zur Wahlurne gebeten. Den Startschuss macht die bereits erwähnte Wahl zum EU-Parlament am 9. Juni, noch ohne konkreten Wahltermin (Stand Mitte Februar 2024) folgen dann im Herbst die Nationalratswahl und die Landtagswahl in Vorarlberg. Und alle drei Wahlen haben das Potenzial, keinen Stein auf dem anderen zu lassen. So liegt die FPÖ allen Umfragen zufolge auf Bundesebene aktuell deutlich auf Platz 1 der Wählergunst. Und auch in Vorarlberg drohen der ÖVP zugunsten der FPÖ klare Verluste.

Was bedeutet das Superwahljahr in Österreich für die Baustellen am Wohnungs- und Immobilienmarkt? Haus & Grund wagt den Blick in die Kristallkugel.


Text: Florian Dünser


Leistbarkeit

Der Wohnungs- und Immobilienmarkt galoppiert der Politik seit Jahren davon. Die Preise, allen voran für den Erwerb von Eigentum, haben in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen, die es sogar Gutverdienern schwer macht, hierzulande Eigentum zu erwerben. Zumindest dann, wenn der Familienverband keine (finanzielle) Unterstützung beisteuert. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Neben generell gestiegenen Anforderungen der Menschen an das Wohnen, teuren Bauvorschriften und Normen sowie knappen Bodenressourcen, sind es aber auch Angebot und Nachfrage, die allen voran in Vorarlberg die Kosten in den vergangenen Jahren regelrecht explodieren ließen. 

Wie begegnet die Politik dieser Entwicklung? Auf Bundesebene hat die ÖVP als erste Partei mit dem „Österreichplan” eine Art Wahlprogramm vorgestellt. Darin wird großmundig bis 2030 eine Erhöhung der Eigentumsquote von aktuell 48 Prozent auf 60 Prozent als Ziel ausgegeben. Wie? Unter anderem mit der Einführung eines staatlich besicherten Wohnbaukredits, der Abschaffung aller Gebühren und Steuern auf das erste Eigenheim oder der Forcierung von Mietkauf. 

Die Chancen auf Umsetzung sind aber mehr als zweifelhaft. Die Reduktion der Gebühren scheiterte in der Schwarz-Grünen Koalition im Zuge der Mietpreisbremse-Diskussion bereits im vergangenen Jahr – und auch der Plan, Genossenschaftswohnungen zu Errichtungskosten für den Mietkauf freizugeben, stößt auf massive Ablehnung. Von den Gemeinnützigen selbst, aber auch von politischer Seite. Die FPÖ zur Nehammer-Idee: „Die ÖVP möchte den sozialen Wohnbau zu Grabe tragen.” Es handle sich um ein „vergiftetes Wahlzuckerl”. In Vorarlberg wurde ein Mietkauf-Modell im gemeinnützigen Wohnbau bereits im Oktober 2023 von der Landesregierung in Aussicht gestellt. Aktuell arbeite man zusammen mit der Vogewosi an einem praktikablen Modell, heißt es. 

Ansonsten sind es in Vorarlberg vor allem Wohnbauförderung und Bodenfonds, die den Wohnungs- und Immobilienmarkt entlasten sollen. Die Chance, den Bodenfonds zu einem wirkungsvollen Instrument der Steuerung zu entwickeln, etwa in Form eines Instituts für Wohnen und Immobilien, wurde bisher allerdings vertan.


Bedeutung für Wahlen


groß


Finanzierung

Die Leistbarkeit von Eigentum hängt zwangsläufig auch mit deren Finanzierung zusammen. Die Kreditimmobilienmaßnahmen-Verordnung (kurz KIM-V) schlägt schon seit August 2022 hohe Wellen, wie Haus & Grund mehrfach berichtete. Zur Erinnerung: Bei einem Wohnkredit müssen 20 Prozent an Eigenmitteln vorhanden sein, die Rückzahlungsbelastung darf 40 Prozent des Netto-Haushaltseinkommens nicht übersteigen – und der Kredit darf auf maximal 35 Jahre abgeschlossen werden. Rahmenbedingungen, die einem Hochpreisumfeld wie Vorarlberg, doppelt belastend zu Buche schlagen. 

Aussicht auf Verbesserung gibt es hier wenig. Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) hat erst im Dezember 2023 betont, dass man keine Änderungen der Kreditvergaberegeln anstrebe. Zumal das Ausnahmekontingent in Höhe von 650 Millionen Euro, auf das Banken zurückgreifen könnten, nicht ausgeschöpft werde. Demnach haben drei Viertel der Banken weniger als 80 Prozent, die Hälfte der Banken sogar weniger als 50 Prozent dieses Kontingents ausgeschöpft – was darauf schließen lässt, dass die Hürde der generellen Leistbarkeit von Eigentum so hoch ist, dass nicht mal mehr um Kredite angefragt wird. 

Besserung könnte hier eine Zinswende bringen, die, glaubt man den Prognosen der Experten, im Laufe dieses Jahres auch tatsächlich erfolgen soll. 


Bedeutung für Wahlen


mittel


Bauwirtschaft

Nicht nur potenzielle Eigentümer, auch die Bauwirtschaft ächzt unter den Problemen der Finanzierbarkeit am Wohnungsmarkt. Die Baukonjunktur schwächelt, viele Projekte wurden gänzlich auf Eis gelegt – und die Nachfrage im Neubau hat nahezu eine Vollbremsung hingelegt. Eine Entwicklung, die für viele Betriebe existenzbedrohend wird. Bereits jetzt zeigt sich ein Anstieg bei den Insolvenzen und Arbeitslosenzahlen – und auch die Ausbildungszahlen sind deutlich rückläufig. Auch wenn die Baupreise mittlerweile stagnieren: eine wirkliche Besserung der Situation scheint nicht in Sicht. Die Bauwirtschaft verzeichnet beim Neubau teilweise einen Rückgang von bis zu 90 Prozent. Für Hubert Rhomberg, CEO von Rhomberg Bau, drohen laut einem Interview mit den Salzburger Nachrichten sogar „massive soziale Verwerfungen”, sollte die Politik dieses Problem nicht schnell in den Griff bekommen. Klar ist: Das Thema wird in der Wahldiskussion ein wichtiges werden.

Bedeutung für Wahlen


groß


Mietrechtsgesetz (MRG)

Mehr als 40 Jahre alt ist das Mietrechtsgesetz (MRG) mittlerweile – und nicht zuletzt deshalb hoffnungslos mit dem heutigen Wohnungsmarkt überfordert. Der Ruf nach einer Novelle ist beinahe so alt wie das Gesetz selbst. Und auch wenn sich alle im Parlament vertretenen Parteien einig sind, dass das MRG überarbeitet gehört – über die Art und Weise herrschen freilich komplett unterschiedliche Vorstellungen. 

Der letzte zaghafte Versuch, das MRG zu überarbeiten, scheiterte im Kabinett Kurz. Ernsthafte Bemühungen, zwischen ÖVP und Grünen einen Kompromiss zu erzielen, gab es seither nicht mehr – und wird es, da darf man sich sicher sein, in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr geben. Und auch eine zukünftige Regierung läuft, unabhängig ihrer Zusammensetzung, Gefahr, sich beim MRG die Zähne ausbeißen. 

Die Chance, dass das MRG aktiv von der nächsten Regierung angegangen wird, ist daher eher gering.

Bedeutung für Wahlen


gering



Bürokratie

Wer schon einmal gebaut oder saniert hat, der weiß: Die bürokratischen Hürden sind groß – und letztlich auch teuer. Was für jeden Häuslebauer zutrifft, trifft in überdurchschnittlichem Maße für Planung und Umsetzung zu. Nicht nur Vertreter der Bauwirtschaft sind sich einig: die große Flut an Richtlinien, Normen und bürokratischen Aufwänden tragen einen großen Teil der Verantwortung für die Kostensteigerungen beim Bau. 

Bestrebungen, diesen bürokratischen Aufwand zu reduzieren, gibt es wenige. Im Gegenteil. Und da die Politik in der Vergangenheit wenig damit glänzte, ihre eigenen Versäumnisse zu korrigieren, wird auch die diesbezügliche Leidenschaft gering sein.

Bedeutung für Wahlen



gering



Die Themenliste, mit denen sich die Politik in Sachen Wohnungs- und Immobilienmarkt auseinandersetzen sollte, ist lang – und erlaubt zeitlich eigentlich keinen Spielraum mehr. Zu lange wurde tatenlos zugesehen, zu lange mit oberflächlichen Rezepten gegen komplexe Sachverhalte vorgegangen. Das Superwahljahr bleibt daher spannend – aber es nimmt auch die Hoffnung, dass es in diesem Jahr zu strategisch-nachhaltigen Lösungen kommen wird. Vielmehr steigt die Sorge, dass mit dem Gießkannenprinzip wenig nachhaltige Wahlzuckerl versprochen und ausgeteilt werden. 

Politiker auf allen Ebenen sind gefordert, ihrer Verantwortung nun gerecht zu werden – und populistischen Experimenten auch im Wahljahr eine Absage zu erteilen.

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