DARF´S NOCH ETWAS MEHR SEIN?

VERPFLICHTENDE GEBÄUDESANIERUNG

In den letzten beiden Ausgaben hat sich die Haus & Grund dem Thema geplante Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien gewidmet und dabei mögliche Auswirkungen für Eigentümer dargestellt. Das entscheidende Zünglein an der Waage: der Energieausweis, der ebenso unter die Lupe genommen wurde. Dieses mal machen wir deutlich, was verpflichtende Sanierungen kosten könnten.

Text: Ursula Fehle


                                                                     

Im Gebäudesektor – dazu zählen sämtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Bautätigkeiten (auch Aus- und Umbauten) – liegt viel Potenzial, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Denn fast 40 Prozent werden vom Gebäudesektor verursacht. Das ist hinlänglich bekannt. Die Gebäudeeffizienzrichtlinien der EU geben seit einigen Jahren genau vor, was hierbei bei Neubauten zu erfüllen ist und was bei Altbauen im Zusammenhang mit Sanierungen gemacht werden sollte. Die Verschärfung der Richtlinie würde aus dem Sollen ein Muss machen – und darin liegt das Grundproblem dieser drohenden Verschärfung. EU-weit könnten rund 35 Millionen Gebäude von einer Pflichtsanierung hin zur vorgegebenen Energieeffizienzklasse (E bis 2030 bzw. D bis 2033) betroffen sein. Eigentümer zur Sanierung zu zwingen und zudem noch einen knappen zeitlichen Rahmen dafür zu stecken, kann nicht der richtige Weg sein.


Wen würde es betreffen

Wer von einer Sanierungspflicht spricht, sollte sich auch genau anschauen, wer davon betroffen wäre und nicht nur was davon (Gebäude) betroffen wäre. Dazu lohnt sich ein Blick auf die Daten der Statistik Austria, die zeigen, wie sich die Haushaltsformen seit 1985 entwickelt haben. Bezeichnend ist hier, größere Haushalte werden immer weniger, kleinere Haushalte immer mehr. Ältere Menschen leben oft zu zweit oder allein (dort ist der Anteil der Frauen wieder höher) auch in älteren Gebäuden. Ältere Gebäude sind jene, die von einer Sanierungspflicht betroffen sein könnten. Das heißt: Ältere Menschen würden gezwungen werden, kostspielige Investitionen zu tätigen. Eine Belastung, die viele finanziell wie psychisch in dieser Lebensphase an die Grenzen der Möglichkeiten bringen könnte.

                       

Sanierungsmaßnahmen

Sanieren im Sinne der Gebäudeeffizienzrichtlinie bedeutet, so zu sanieren, dass der Energieverbrauch des Gebäudes sinkt. Dieser kann auch durch angepasstes Nutzerverhalten sinken, was aber weder im Energieausweis noch in der geplanten Verschärfung der Richtlinie berücksichtigt wird – dies nur am Rande.

                                                               

Mögliche Sanierungsmaßnahmen sind all jene, die dazu dienen, Energie einzusparen: 

  • Modernisierung/Tausch der Fenster/Türen
  • Dachsanierung/Dachisolierung
  • Dämmung (Keller und Außenwände)
  • Tausch des Heizungssystems
  • Installation einer PV-Anlage


Natürlich sind dies alles sinnvolle Maßnahmen, jedoch sollten Eigentümer selbst darüber entscheiden dürfen, ohne Verpflichtung oder Strafzahlung, wann und in welchem Ausmaß saniert wird.


Kostenschätzung

Wer Altbauten kennt, der weiß: sie sind voller Überraschungen. Das hat oftmals Charme, stellt aber bei Sanierungsplänen einen großen Unsicherheitsfaktor dar. Denn je nach Alter und Zustand des Gebäudes reichen nicht nur einfache Maßnahmen, wie zum Beispiel das Dämmen der obersten Geschossdecke, das häufig als kostengünstige Do-it-yourself Schnellmaßnahme kolportiert wird. Oftmals werden umfassende und unvorhergesehene Arbeiten notwendig, die nicht kalkulierte Zusatzausgaben verursachen können. Die Kosten hängen zudem von der Wahl der Materialien und auch beispielsweise bei Wärmepumpen sehr stark vom Hersteller sowie von den genehmigten Förderungen ab. Klare Aussagen sind deshalb schwer zu treffen.


Ein Beispiel

Anhand von tatsächlichen Häusern, die unter die Sanierungspflicht fallen würden, ein Kostenbeispiel zu erstellen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit beziehungsweise werden darüber Seitens der Expertin nicht gerne klare Aussagen getroffen. Aber: als Ausgangsbasis zur Annäherung kann ein Einfamilienhaus hergenommen werden, das in den 1980er-Jahren erbaut wurde und nun gute 40 Jahre auf den Schultern hat. Bei den meisten Häusern dieser Art ist der Dachboden noch nicht ausgebaut. Nach rund vierzig Jahren sind die Fenster und Türen wahrscheinlich auszutauschen, das Dach könnte zusätzlich isoliert werden und eine Dämmung der obersten Geschossdecke wäre notwendig. Die Kosten dafür liegen ungefähr bei:

  • Dämmung (Innendach, 150 Quadratmeter): 7.500 Euro (50 Euro/Quadratmeter)
  • Austausch Fenster (20 Holz-Alu-Fenster): 25.000 Euro
  • Türentausch (2 Türen): 10.000 Euro

Die Preise sind hier Richtwerte. Aber sie geben bereits einen guten Einblick in die möglichen Kosten für Häuser der Energieeffizienzklasse F und G. Dort kämen mit größter Wahrscheinlichkeit noch zusätzliche Maßnahmen auf die Eigentümer zu, wie Teildämmung der Außenwand oder auch Heizungstausch. Alleine die Richtkosten für eine Fassadenfläche von 100 Quadratmeter ist im wahrsten Sinne atemberaubend. Hier kann mit rund 20.000 Euro kalkuliert werden. Bei den Heizsystemen als Beispiel die Wärmepumpen können die Kosten zwischen 12.000 und 35.000 (oder mehr) schwanken. Ein Haus der Energieeffizienzklasse G müsste in Zukunft so saniert werden, dass es zumindest Klasse E oder D ist. Das heißt nicht, dass alle genannten Maßnahmen umgesetzt werden müssten, das Beispiel zeigt aber, welche enorme Belastung da auf viele Eigentümer zukommen könnte.


Woher kommt das Geld

Das EU-Parlament hat im Zusammenhang mit der möglichen Verschärfung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, kurz EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) kommuniziert, dass Ausnahmeregelungen und die Erweiterung des bereits vorhandenen Förderprogramms errichtet werden müssten. Das kann und wird nicht die Lösung sein. Eigentümer werden bei einer Anpassung des EPBD ein weiteres Mal zur Kassa gebeten werden – entweder durch erzwungene Investitionen oder durch Strafzahlungen. Die Erleichterung der Kreditvergabe für ältere Menschen durch die Novelle des Hypothekar- und Immobiliengesetzes (seit 01.05.2023 in Kraft) erscheint dabei fast wie ein Hohn. Natürlich ist es wichtig, dass ältere Menschen die Möglichkeit haben, einen Kredit zu bekommen, für Investitionen, die aus eigenem Antrieb getätigt werden wollen und als notwendig und wichtig erscheinen.Im Alter einen Kredit aufnehmen zu müssen für Maßnahmen, die man selbst nicht gesetzt hätte und so vielleicht andere gewünschte Projekte nicht umgesetzt werden können, erscheint euphemistisch gesagt als suboptimal. Wer nicht investieren möchte oder auch nicht kann, wird sich gezwungen sehen, zu verkaufen. Ist das das tatsächliche Ziel?


Unterm Strich

Die geplante Verschärfung der EPBD kann nur als Milchmädchenrechnung betrachtet werden. Es ist naiv zu glauben, darin die Lösung für den Gebäudesektor gefunden zu haben. Den Energieausweis als entscheidenden Faktor über Sanierung oder Nichtsanierung festzulegen, ist zudem stark zu hinterfragen. Da er gerade bei Altbauten zu viele Ungenauigkeiten und Unschärfen liefert. Des Weiteren mutet es obszön an, in Krisenzeiten frei nach dem Motto „Darf’s noch ein bisschen mehr sein” weitere Belastungen für Eigentümer zu etablieren. 


WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

Lesen Sie mehr über die ​geplante Verschärfung für Gebäudesanierungen.

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