
WIE EIGENTUM VERTEILT IST
WEM GEHÖRT DAS LAND?
Im Juni veröffentlichte die Arbeiterkammer Vorarlberg die Studie „Wem gehört das Land“. Sie zeigt, dass
im Land der Häuslebauer die meisten Menschen gar kein Eigentum haben. Sie zeigt auch, wer den Großteilbesitzt und wie dringend die Etablierung eines Bodenfonds sowie einer evidenzbasierten Grund- und Bodenpolitik wären, die von der Vorarlberger Eigentümervereinung schon seit Jahren gefordert wird.
Text: Ursula Fehle
Es war an der Zeit, dass jemand die Eigentumsverhältnisse in Vorarlberg unter die Lupe nimmt. Denn Neid schürende Reden über gierige Eigentümer und Bodenknappheit sind Teil des täglichen Gesprächsstoffs und auch von politischen Diskussionen. Überprüft wurden diese Behauptungen bisher noch nie. Die Arbeiterkammer Vorarlberg beauftragte deshalb das SK Institut für Standort-, Regional-, und Kom- munalentwicklung sowie die Telesis Entwicklungs- und Management GmbH, der Sache auf den Grund zu gehen. Es wurden Grundstückkataster, Katastralmappe, Grundstücksverzeichnis und Eigentümerverzeichnis mit den Flächenwidmung abgeglichen. Es wurden Widmungen, Bau- und Betriebsgrundstücke angeschaut. Die Studienersteller räumten ein, dass es Unschärfen gibt, zumal der Zugang zu den Daten kein leichter war. Hier stellten sie auch die Fragen in den Raum „Warum dürfen/sollen wir nicht wissen, wem das Land gehört, warum kommt man so schwer an die Informationen?” Auch wenn Unschärfen vorhanden sind, die Studienergebnisse sind klar. Der Großteil der Vorarlberger besitzt kein Grundstück (egal, welcher Widmungsart), kein Haus, keine Wohnung.
Das Land gehört...
Das Land gehört zumindest nicht der breiten Bevölkerung, denn 58 % besitzen anteilig keinen Grund und Boden. Sogar 64 % Prozent besitzen kein Wohnbaugrundstück bzw. Anteil an einer Eigentumswohnung in Vorarlberg. Die größte Grundstückseigentümer über alle Flächenwidmungskategorien in Vorarlberg sind auf Basis der Studie:
» Agrargemeinschaften mit 35%
» Gemeinden mit 14%
» Bund mit 3%
» Land mit 1%
» Kirchen und kirchliche Institutionen mit 1%
» Gemeinnützige Wohnbauträger mit 0,1% (3% der gewidmeten Wohnbauflächen)
Bei den unbebauten Wohnbauflächen ist die Top-Eigentümerschaft, wie folgt verteilt.
Flächen in m2 | Anzahl der Flächen | Eigentümer |
---|---|---|
549.337 | 2.673 | Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau und Siedlungsgesellschaft GmbH |
510.205 | 835 | Kirche |
195.157 | 302 | Illwerke vkv |
190.380 | 309 | Stadt Feldkirch |
Was zeigen die Zahlen, es sind nicht die privaten Eigentümer, die große bereits zur Bebauung gewidmete Zahlen an Grundstücken zurückhalten oder horten, so wie es oft und gerne behauptet wird. Die großen Player sind andere. Die Studie demonstriert: Es besteht keine Bodenknappheit per se. 40 % des bereits gewidmeten Baulands sind noch unbebaut. Was aber besteht, ist eine mangelnde Marktverfügbarkeit. Die Preise sind ins Exorbitante gestiegen. Vorarlberg hat mittlerweile eine Spitzenposition erreicht: hohe Mieten und höchste Wohnungs- und Grundstückspreise. Keine Errungenschaft, auf die man stolz sein kann. Die wenigen Grundstücke, die auf den Markt kommen, sind für den durchschnittlichen Vorarlberger nicht (mehr) leistbar.
Umsetzbare und effektive Lösungsansätze
Was die Studie vor allem zeigt, ist: Die Politik hat nicht nur untätig zugesehen und solche Entwicklungen hingenommen. Sie hat auch zudem vorhandene Lösungswege oder Vorschläge ignoriert und tut das auch weiterhin. Aktuelles Beispiel: die anstehende Grundverkehrsgesetzesnovelle. Leistbares Wohnen wird im Entwurf dazu nicht berücksichtigt, nicht einmal erwähnt. Was nicht erwähnt wird, wird auch nicht mitbedacht. Dabei hat schon das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger im letzten Frühjahr (Haus & Grund berichtete) gezeigt, wie das Land mit kleinen gesetzlichen Adaptierungen der preistreibenden Bodenspekulation Einhalt gebieten könnte. Das wäre ein wesentlicher Schritt, um Wohnen und Eigentum für die Allgemeinheit leistbarer zu machen.
Die AK greift die Ergebnisse dieses Gutachten im Zusammenhang mit der aktuellen Studie wieder auf und bietet sie der Politik wieder als Lösung beziehungsweise Empfehlung an. Zwei kleine Schrauben, an denen nach Ansicht der AK rasch gedreht werden könnte, wären zum Beispiel die Aufhebung der Fünf-Hektar-Regel-Ausnahme für Bauträger. Das heißt: Bauträger können aktuell unbebaute Grundstücke über der 50.000 m2-Grenze (im Regelfall gilt hier eine Erklärungspflicht gegenüber der zuständigen Behörde) ankaufen, ohne bei der zuständigen Behörde eine Erklärung abgeben zu müssen und ohne dieses Land innerhalb von zehn Jahren bebauen zu müssen. Das begünstigt die Baulandhortung seitens der Bauträger. Mit Abschaffung dieser Regelung wäre schon eine Weiche gestellt. Eine weitere Maßnahme wäre nach Ansicht der AK, wenn Bauträger im Ankauf von Grundstücken zusätzlich reglementiert würden. Hier sieht der Vorschlag folgendermaßen aus: Bauträger sollten nur dann kaufen dürfen, wenn sie dadurch Wohnbedarf an leistbaren Miet- bzw. Eigentumswohnungen von konkreten Wohnungsbewerbern abdecken und dieses Projekt in fünf Jahren umgesetzt wird.
Zeit für ein Kompetenzzentrum
Steter Tropfen höhlt den Stein – deshalb wird die VEV auch nicht müde, ihre Forderung nach einem Fachinstitut für Wohnen und Immobilien immer wieder kundzutun. Klare Zahlen wie in der vorliegenden AK-Studie unterstreichen die Wichtigkeit. „Es wurde lange genug mit dem Bauchgefühl als Entscheidungsfaktor experimentiert. Die öffentliche Hand muss Verantwortung übernehmen und Entscheidungen basierend auf Evidenzen treffen. Ein Kompetenzzentrum wäre der adäquate Ort dafür, Fachwissen zu bündeln, Fakten und Erfahrungen zum Immobilien- und Wohnungsmarkt zu sammeln und zu verstehen und dazu zielführende Maßnahmen – hin zur Ermöglichung von Eigentum und zur Leistbarkeit des Wohnens – zu entwickeln, die eine langfristige und nachhaltige Wirkung haben. Schnellschüsse sind hier nicht angebracht”, betont VEV-Präsident RA Dr. Markus Hagen. „Es ist vielsagend, wenn solche Studien, wie die vorliegende, von Organisationen wie der AK durchgeführt werden müssen. Das wäre klare Aufgabe des Landes. Eine Wohnpolitik, ohne sich auch nur um die wichtigsten Informationsgrundlage zu kümmern, ist fahrlässig bzw. verdient nicht die Bezeichnung Wohnpolitik. Das können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten.
Endlich ein Bodenfonds
Seit über 30 Jahren steht die Forderung nach einem Bodenfonds im Raum. Hier scheint der stete Tropfen endlich genug gehöhlt zu haben. Im Frühjahr 2023 verkündeten Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Landesrat Marco Tittler (ÖVP) die Gründung einer Gesellschaft Bodenfonds Vorarlberg. Aus Sicht der VEV bleibt zu hoffen, dass die Eta- blierung der Bodendfondsgesellschaft als Chance genutzt wird, nicht nur die reine Anschaffung und Verwertung von Liegenschaften, sondern die Implementierung der Ziele und Aufgaben eines Kompetenzzentrums umzusetzen.
Die AK formuliert klare Funktionen und Aufgaben eines zukünftigen Bodenfonds, darunter Erwerb, Entwicklung und anschließende Weitergabe von Grundflächen zu günstigen Preisen, Vergabe und Verwaltung von Baurechtsgrundstücken. Quartiersentwicklung, Schutz der Kommunen vor Einflüssen und Begehrlichkeiten, Baulandmobilisierung. Dieses Spektrum muss dringend ergänzt werden um die Evaluierung der Effizienz der Wohnbauförderung, Studien zu Marktentwicklungen, Vorschläge zur Optimierungen von Gesetzen, Evaluierung von gesetzlichen Maßnahmen, wie etwa der Wirksamkeit der Grundverkehrs- oder Raumplanungsnovelle, Entrümpelung von sinnlosen und preistreibenden Ö-Normen, der OIB-Richtlinien, der Baugesetze etc. Es gäbe viel zu tun.
Chancen für das Eigentum
Eigentum muss breit gestreut sein. So der Standpunkt der VEV. Besonders privates Wohneigentum für junge Menschen muss wieder einfacher möglich gemacht werden. Die Zahlen der Studie zeigen, es gibt Wege und es gibt auch Chancen für das Eigentum. Nun gilt es diese zu nutzen und faire, keine eigentümerfeindlichen, sowie sinnvolle Maßnahmen (wie zum Beispiel eine aktive Bodenpolitik) zu setzen. Ein Kompetenzzentrum für Wohnen könnte hier einen wertvollen Beitrag leisten.
Weiterführende Informationen
Lesen Sie mehr über die Studie „Wem gehört das Land?“ der Arbeiterkammer.
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