Eigentum von Wolf Haas

Ein Abschiedslied für das nie Erreichte


Wolf Haas macht in seinem neuen Roman Eigentum den nahenden und tatsächlichen Tod seiner Mutter zum Thema. Ihr ewiger und unerfüllter Wunsch nach Wohneigentum ist dabei zentrales Motiv. 

Text: Ursula Fehle

Es ist das Jahr 1923 in dem Wolf Haas‘s Mutter in Maria Alm in Salzburg geboren wird. Es ist das Jahr der Hyperinflation. Das ersparte Geld ist nichts mehr Wert. Das zum Kauf angestrebte Stück Land rückt für ihren Vater in unerreichbare Ferne. In dieser, nicht wirklich freundlichen Welt, erblickt Marianne das Licht der Welt. 100 Jahre später, die Inflation ist in Österreich hoch wie schon lange nicht mehr, schreibt ihr Sohn einen unverblümt schönen Abgesang auf seine Mutter. Und: ein Abschiedslied auf das nie erreichte Eigentum. Ein kurzer, großer Roman mit nur 160 Seiten, der wohl Wolf Haas´s persönlichstes Werk bisher darstellt. Die letzten Tage der dementen, im Sterben liegenden Mutter werden begleitet und ihr ganzes Leben aufgerollt. 


Keine einfache Frau

Den Tod (den drohenden, nahenden oder tatsächlichen Tod) von geliebten Menschen in Worte zu fassen, endet oft in verkitschten Plattitüden. Sie zu beschreiben, endet vielfach im Gefühl der Verlogenheit oder der Unzulänglichkeit. „De mortuis nihil nisi bene – über die Toten nichts außer Gutes” hieß es früher. Wolf Haas spricht über seine Mutter nicht schlecht, sondern zeigt sie, wie Menschen eben so sind: Abseits des Perfekten, kämpfend, grantig, sehnsüchtig, jammernd, fleißig, sorgend und schwierig. Keine einfache Frau, zerstritten mit jedem im Dorf und doch immer die Mutter. 


Lebenslüge Sparen

„Die Anzahlung war das Problem” lässt Haas seine Mutter sagen. „Dann hab ich gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet, die ganz Zeit nichts wie sparen, sparen, sparen, und wie ich die zehntausend Schilling beisammen gehabt hätte, hat der Quadratmeter inzwischen zwanzig Schilling gekostet. Wegen der Inflation. Da bist du dann nirgends mit deinen zehntausend Schilling.” Dann ging das Hamsterrad für die Mutter wieder weiter. „Dann hab ich halt wieder gespart, gespart, gespart, gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. (...) Und wie ich die zwanzigtausend Schilling beisammen gehabt hätte, hat der Quadratmeter inzwischen vierzig Schilling gekostet. (...) Da bist du natürlich nirgends mit den zwanzigtausend Schilling.” Die Lebenslüge vom Fleiß, der sich lohnt, sowie, das falsche Versprechen, dass Sparen die Basis zur Realisierung von Träumen sei, werden mit einer nüchternen Einfachheit enttarnt. Haas schlägt hier eine thematische Brücke zur heutigen Zeit. Die Unmöglichkeit von Eigentum ist damals wie heute für immer mehr unleugbare Realität. Die zermürbende Sehnsucht nach etwas Eigenem bleibt der Motor des (sich oft nicht lohnenden) Fleißes. 


Tod und Eigentum 

„Sie waren nicht mehr da, als ich geboren wurde. Nur das Grab war da. Und ihr Haus war noch da. Die Werkstatt war da. Die Maschinen waren da. Der Grund war da. Die Leute waren weg.” So schreibt Haas über seinen verstorbenen Großvater und Onkel. Was bleibt von den Menschen, wenn sie gehen? Ist die Anschaffung von Eigentum der Versuch, unsterblich zu werden, sich selbst für die Hinterbliebenen ein kleines Denkmal zu setzen? Tod und Eigentum sind nicht erst mit Wolf Haas zum zusammengehörenden Themenbündel geworden. Doch er gehört mit diesem unaufgeregten, zärtlichen und humorvollen Werk zu jenen, die das nahbar gemacht haben. Etwas Eigenes für die Mutter zum Abschied. Einen eigenen Roman. 

⇨ Über Wolfgang Haas

geboren 1960 in Maria Alm (Salzburg) am Steinernen Meer, lebt als Schriftsteller in Wien. Bekannt wurde er mit seinen neun Brenner-Krimis. Eigentum ist sein vierter Roman. Seine Arbeit ist mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Krimipreis, dem Jonathan-Swift-Preis sowie dem Erich-Kästner-Preis 2024. 

 ⇨ Infos zum Buch

  • Buchtitel: Eigentum
  • Autor: Wolf Haas
  • Verlag: Hanser
  • Erscheinungsdatum: 4. September 2023

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