VERSCHÄRFUNG DER EU-GEBÄUDEEFFIZIENZRICHTLINIE

ZENTRALE STEUERUNG DURCH DIE HINTERTÜR


Intensiv hat sich die Haus & Grund in den letzten drei Ausgaben mit der vom EU-Parlament geplanten Verschärfung der Gebäudeeffizienzrichtlinien und den damit einhergehenden Problemfeldern auseinandergesetzt. Vor der Sommerpause wurde darüber abgestimmt. Bis zum Winter soll mit den EU-Mitgliedstaaten eine Einigung erreicht werden. Zeit, sich im letzten Teil dieser Reihe mit dem brisanten Aspekt der zentralen Steuerung und dem dadurch entstehenden Kontrollverlust im privaten Bereich auseinanderzusetzen. 

Text: Ursula Fehle

Die Verschärfung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinien schreibt sich als Beweggrund die hehre Aufgabe der Reduzierung von CO²-Emissionen und die Erreichung der Pariser Klimaziele auf die Fahnen. Die Verschärfung wird als Notwendigkeit beschrieben, um das große Einsparpotenzial in Sachen Treibhausgasen im Gebäudebestand auszuschöpfen. In der EU entfallen rund 36 % der gesamten CO²-Emissionen auf Gebäude. EU-weit könnten rund 35 Millionen Gebäude von einer Pflichtsanierung aufgrund dieser geplanten Verschärfung betroffen sein. Dass dieser Ansatz von verpflichtender Sanierung nicht der richtige Weg sein kann, wurde in den letzten Beiträgen hinlänglich beleuchtet. Was bisher auch in der öffentlichen Diskussion wenig Raum gefunden hat, ist die zentrale Überwachung und Steuerung, die mit den geplanten Maßnahmen Hand in Hand gehen würden. 


Überwachung und Steuerung

Laut Entwurf müssten Nicht-Wohngebäude bereits bis Ende 2024 mit intelligenten Systemen zur Energieerzeugung ausgestattet sein, sodass der Energieverbrauch kontinuierlich überwacht, kontrolliert, analysiert und angepasst werden kann. Benchmarks für die Energieeffizienz würden für jedes Gebäude aufgestellt und Optimierungen direkt ermittelt. Wohngebäude müssten ab dem 1. Januar 2025 bei größeren Renovierungsarbeiten mit Systemen für die Gebäudeautomatisierung und Steuerung ausgestattet werden. Hier müsste laut Entwurf eine kontinuierliche elektronische Überwachung möglich sein, die die Effizienz des Systems misst und Eigentümer oder Verwalter des Gebäudes darüber informiert, wenn die Effizienz erheblich nachgelassen hat. Außerdem müsste eine wirksame Steuerungsfunktion zur Gewährleistung der optimalen Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Nutzung der Energie möglich sein – laut Entwurf. 


Was hier etwas verklausuliert daherkommt, bedeutet in der Umsetzung die Einführung von intelligenten Zählern, die Sammlung von Daten über den Energieverbrauch von Gebäuden und letztendlich Überwachung sowie externe Kontrolle beziehungsweise Steuerung des Energieverbrauchs. Bewohner von Wohngebäuden könnten gezwungen sein, sich an zentralisierte Vorgaben zu halten. Zugunsten der Energieeffizienz könnte der Energieverbrauch zentral gesteuert werden. Soll heißen: Würde das Heizen der wohlig, warmen Stube zu viel Energie benötigen und die Vorgaben überschreiten, könnte hier von externer Stelle eingeschritten werden. 


Sorge um Privatsphäre

Die umfassende Datensammlung über den Energieverbrauch von Gebäuden könnte potenziell sensible Informationen preisgeben. Welche Geräte werden zu welcher Zeit genutzt? Welche Temperaturen herrschen im Inneren der Wohnungen? Wann ist jemand zu Hause, wann nicht? Diese Informationen können von Dritten missbraucht oder gehackt werden. Die Sorge um die Privatsphäre ist berechtigt.


Fahler Beigeschmack 

Der Verschärfungsvorschlag der EU wird mit den Ergebnissen von Interessenträger-Beteiligungsprozessen gerechtfertigt. Eine Verschärfung würde alle EU-Mitgliedstaaten, rund 447 Millionen Menschen, betreffen, die Zahlen der Konsultationen erscheinen daneben fast lächerlich. 243 Rückmeldungen gingen innerhalb einer vierwöchigen Frist (Februar 2021) zu Folgenabschätzungen der Verschärfung über das Kommissionsportal „Ihre Meinung zählt” ein. Weitere 535 Antworten gingen zusätzlich über das genannte Portal innerhalb von zwölf Wochen (März bis Mai 2021) über einen Online-Fragebogen ein. Nur 15 % der Umfrageteilnehmenden waren EU-Bürger, der Großteil, 52 %, waren Unternehmensverbände und Unternehmen. Zudem fanden von März bis Juni 2021 fünf zielgerichtete Workshops mit jeweils rund 200 Teilnehmenden statt. Die Verschärfung beträfe alle EU-Mitgliedstaaten. Sind so rund 1700 Interessenträger, die an den Beteiligungsprozessen teilnahmen, genug, um diesen Weg zu rechtfertigen? 


Die Verhandlungsergebnisse des EU-Parlaments mit den Mitgliedstaaten bleiben abzuwarten. Was bleibt, ist vorerst ein fahler Beigeschmack. Wer den Klimawandel bekämpfen möchte, sollte mit den Bürgern arbeiten und nicht gegen sie. 


⇨ WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

Lesen Sie mehr über die Verschärfung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie.

Zur Richtlinie

Als nächstes lesen:

Vorausschauend sanieren
Mit einer vorausschauenden Sanierung eines Einfamilienhauses oder einer Wohnanlage lassen sich bis zu 77 Prozent der Energiekosten einsparen.
Lesen

© 2023 Vorarlberger Eigentümervereinigung