Eigentümer sind in gewissen Bereichen unglücklicher als Mieter.
M.Sc. Timon Renz
Zufriedenheitsforscher Universität Freiburg
Wie kommt man zur Zufriedenheitsforschung?
Renz: In meinem Fall war es der wirtschaftswissenschaftliche Ansatz. Die Ursprungsfrage war für mich: Macht Geld glücklich? Oder auch die Frage: Das Bruttoinlandsprodukt steigt, steigt die Zufriedenheit im gleichen Ausmaß? Wie sind die Zusammenhänge? Das hat mich interessiert.
Gibt es ein Rezept für die Zufriedenheit?
Renz: Leider nein! Es gibt aber Fundamente des Glücks. Das sind: Die Gesundheit. Die soziale Verwobenheit. Der Kontakt mit Menschen, die man mag. Und: Ein hohes Einkommen hilft bei der Zufriedenheit. Persönlichkeitsstrukturen beeinflussen aber auch die Zufriedenheit. Manche Menschen blicken positiver, manche negativer auf die Welt. Neben diesen Fundamenten des Glücks, gibt es weitere Faktoren, die etwas zufriedener machen können. Es kann versucht werden, gelassener und dankbarer zu sein. Es kann eine höhere Frustrationstoleranz erlernt werden. Man kann lernen, die eigenen Fehler zu akzeptieren.
Heißt das, ein Mensch, der die Welt eher negativ sieht, kann dennoch zufrieden sein?
Renz: Ja, das kann gelingen. Aber: Es wird von allem mehr benötigt. Eine bessere Gesundheit, eine besseres soziales Netzwerk, ein höheres Gehalt.
Sind wir heute unzufriedener als früher – oder waren wir früher glücklicher?
Renz: Im deutschsprachigen Raum werden seit den 1970er Jahren Umfragen dazu gemacht. Das Erstaunliche ist, die Lebenszufriedenheit ist im Durchschnitt relativ konstant geblieben. Im selben Zeitraum (seit den 1970er-Jahren) hat sich der Wohlstand in Deutschland verdoppelt. Die Zufriedenheit ist aber stagniert. Wir verstehen das als Easterlin-Paradoxon. Der Wohlstand hat zugenommen, die Lebenszufriedenheit nicht.
Was sind mögliche Erklärungen dafür?
Renz: Wenn alle an Wohlstand dazu gewinnen, dann findet kein richtiger Aufstieg mehr statt. Ich bleibe auf der sozialen Leiter stehen, denn mein gesamtes Umfeld wird wohlhabender. Eine andere Erklärung wäre, dass wir uns sehr rasch an das Mehr gewöhnen. Verdienen wir mehr, geben wir auch mehr aus. Das sind Erklärungsversuche, aber aus meiner Sicht keine wirklich zufriedenstellenden.
Wie wird die Zufriedenheit festgestellt?
Renz: Wir gehen direkt zu den Menschen und befragen sie zu ihren Leben. Wir fragen sie völlig unabhängig von der politischen oder wirtschaftlichen Lage im Land. Die meisten Menschen geben einen Zufriedenheitswert von 7 bis 9 an. 0 wäre sehr unzufrieden. 10 höchst zufrieden. Das zeigt: Der Großteil ist ganz zufrieden. Es gibt aber einen kleinen Teil, der unglücklich ist und auf diesen muss gut geschaut werden.
Thema Wohlstand – wie viel Geld braucht man, um zufrieden zu sein?
Renz: Nobelpreisträger Angus Deaton hat dazu eine Studie im Jahr 2009 veröffentlicht, in der er beschrieb, dass man etwa in Deutschland rund 75.000 Euro jährlich bräuchte, um zufrieden zu sein. Alles, was darüber hinausginge, würde nicht glücklicher machen. Er hat sich aber mittlerweile selbst revidiert. Mit mehr Geld kann man doch zufriedener sein.
Wir wissen also ziemlich genau, was wir bräuchten, um zufrieden zu sein. Was sind Zufriedenheitskiller?
Renz: Ja, das ist eine Mischung aus allem. Wenn sie krank sind, arbeitssuchend, die Ehe dann noch in die Brüche geht, dann sinkt die Zufriedenheit natürlich enorm. Es gibt manche Menschen, die trifft das Leben sehr hart. Aber auch Menschen, die gepflegt werden müssen und die Pflegenden selbst – oft Angehörige – verzeichnen niedrige Zufriedenheitswerte. Arbeitslose Menschen sind ebenso unzufriedener.
In welchem Alter sind wir denn am zufriedensten?
Renz: Wenn wir jung sind. Die besten Werte haben wir zwischen 18 und 23 Jahren. Mit Mitte 20 kommt dann meist die Quarterlifecrisis. Da begreifen wir, die Rockstar-Karriere wird nichts und das mit den Millionen ebenso wenig. Die Realität holt uns ein. Die Zufriedenheit steigt später in der Familiengründungsphase Anfang 30 nochmal an. Danach sinkt sie konstant – im statistischen Durchschnitt. Um das Rentenantrittsalter herum steigt die Zufriedenheit wieder. Mit Mitte/Ende siebzig geht es dann mit der Zufriedenheit oft bergab. Das sind Durchschnittswerte. Es gibt Menschen, die leben bis ins hohe Alter glücklich.
Kommen wir zum Thema Eigentum. Warum wollen wir überhaupt Eigentum erwerben?
Renz: Dazu gibt es drei Ansätze. Den ökonomischen, hier geht es darum, Eigentum anzuschaffen, um sich abzusichern. Stichwort Altersvorsorge und Investition. Dann gibt es den soziologischen Ansatz. Wohneigentum ist hier ein soziales Gut. Ich schaffe mir Eigentum an und steige so auf der sozialen Leiter auf. Das Eigentum demonstriert meinen Aufstieg. Der dritte Ansatz ist eine anthropologische Sichtweise. Vielleicht tragen wir diesen Wunsch nach Eigentum einfach in uns.
Macht uns Eigentum glücklicher?
Renz: Wir haben diesen Aspekt des Eigentums als Glücklichmacher untersucht. Haben die Frage gestellt, sind Eigentümer glücklicher als andere (Mieter). Das Ergebnis: Eigentümer sind in der allgemeinen Lebenszufriedenheit nicht zufriedener. Sie sind jedoch zufriedener, wenn es um ihre Wohnsituation geht. Wir erklären uns das mit dem Besitztumseffekt. Dinge, die ich mein Eigen nenne, bewerte ich positiver, als wenn ich sie nicht besitze.
Sind Eigentümer auch in bestimmten Bereichen unzufriedener als Mieter?
Renz: Ja. Das emotionale Wohlbefinden der Eigentümer ist deutlich schlechter als das der Mieter. Sie sind häufiger ängstlich und frustriert. Wohneigentümer haben ja viel mehr zu tun mit ihrem Haus oder der Wohnung, müssen sich um mehr kümmern, haben eventuell Schwierigkeiten mit dem Staat, Handwerkern oder auch Mietern. Außerdem schneiden Eigentümer bei der Einkommenszufriedenheit schlechter ab. Wir vergleichen einen Eigentümer und einen Mieter mit gleich hohem Einkommen und gleicher Wohnsituation und der Eigentümer ist damit unglücklicher. Das lässt sich so erklären, dass die finanzielle Belastung seitens der Eigentümer höher ist. Eigentümer brauchen ein höheres Einkommen, um gleich zufrieden zu sein, wie Mieter.
Wo sind sie denn eindeutig zufriedener?
Renz: Erstaunlicherweise bei der Freizeitzufriedenheit. Obwohl es für Eigentümer immer etwas zu tun gibt in Haus und Garten und Nicht-Eigentümer deutlich mehr Freizeit haben, sind Eigentümer zufriedener.
Gibt es Wohnformen, in denen wir uns am wohlsten fühlen – Singlewohnung oder Mehrgenerationenhaus?
Renz: Die gibt es. Ich habe mir zum einen angeschaut, welche Wohnannehmlichkeiten braucht es. Der wichtigste Faktor war dabei ein Zugang nach draußen – Terrasse, Balkon, Garten – was auch immer. Die Größe der Wohnung war gar nicht so relevant, auch nicht der Zustand der Wohnung. Und dann hab ich geschaut, wie wohnen Menschen am liebsten. Das Einfamilienhaus hat nur eine durchschnittliche Bewertung bekommen. Das Reihenhaus und kleine Mehrfamilienhäuser mit vier bis sechs Einheiten haben deutlich besser abgeschnitten. Ganz schlecht bewertet wurden Hochhäuser oder extrem große Häuser. Was wenig verwundert.
Warum so schlechte Ergebnisse für das Einfamilienhaus?
Renz: Eine Erklärung könnte sein: Das Einfamilienhaus bedeutet eine Abkapselung nach außen. Es gibt natürlich Einfamilienhaussiedlungen, in denen ein gutes Zusammenleben funktioniert. Häufig herrscht dort aber, ähnlich wie in Hochhäusern, eine gewisse Anonymität.
Abschließend: Was könnte die Politik tun, damit wir in Sachen Wohnen zufriedener werden?
Renz: Wir raten davon ab, die komplette Wohnungspolitik auf Eigentumspolitik zu fokussieren. Es gibt in manchen Parteien die Tendenz: Wir müssen alle zu Eigentümern machen, dann geht es uns super. Wir sollten jedoch stärker auf die Ausstattung achten. Das heißt: Man sollte zum Beispiel keine Wohnungen mehr bauen, die über keine oder nur kleine Balkone verfügen. Der Kontakt zur Natur sollte gegeben sein. Weniger klug ist auch, immer weitere Neubaugebiete an Dorfrändern auszuweisen. Das führt dazu, dass die Ränder immer weiter nach außen gehen und die Zufriedenheit mit der Wohnsituation geht nach unten. Es sollte der Fokus auf die Annehmlichkeiten, Grünflächen, Parks, soziale Treffpunkte gesetzt werden. Es sollte auch auf eine gute Durchmischung der Nachbarschaft geachtet werden. Und: Betonstädte sollten vermieden werden.